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Der 8-Stunden-Tag
"Samstags gehört Vati mir"

Am 15. November 2018 hat der formale 8-Stunden-Tag in Deutschland sein 100-jähriges Jubiläum. Chronik eines Eckpfeilers des Arbeitsschutzes.

Von Friederike Invernizzi 14.11.2018

Im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Industriellen Revolution, waren Arbeitstage von über 13 Stunden keine Seltenheit. In den meisten Handwerksbetrieben wurde die Arbeit nicht nach Stunden abgerechnet, sondern nach Tagen. Als einer der ersten engagierten Sozialreformer forderte der walisische Unternehmer Robert Owens: "Acht Stunden arbeiten, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf".

Die Forderungen Owens wurden damals von der englischen Arbeiterbewegung aufgegriffen, die sich in den 1830er Jahren in Kooperativen und Gewerkschaften anfing zu organisieren. Am 1. Mai 1848 trat in Großbritannien der Factory Act 1847 in Kraft, in dem ein Zehnstundentag erstmals verbindlich festgeschrieben wurde.

Die Arbeitgeberverbände in Deutschland wollten nach der Novemberrevolution von 1918 verhindern, dass Fabriken in staatliches Eigentum übergingen. Daher erkannten sie die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeiter im Stinnes-Legien-Abkommen an, das nach den beiden Verhandlungsführern benannt ist.

Zugleich stimmten sie der Verkürzung der Arbeitszeit auf acht Stunden bei vollem Lohnausgleich zu. So wurde der Achtstundentag in Deutschland 1918 zunächst für Arbeiter und 1919 auch für Angestellte eingeführt. Auch viele Unternehmen profitierten davon, da durch verkürzte Arbeitszeiten oftmals die Produktivität stieg.

Gewerkschaftsbund wirbt für Fünf-Tage-Woche

Mit den Arbeitszeitverordnungen von 1923 und 1938 wurden durch Ausnahmeregelungen auch wieder Zehnstundentage zugelassen. In den Kriegsjahren waren die meisten Arbeitszeit-Schutzvorschriften außer Kraft gesetzt und erst 1946 wurde der Achtstundentag durch den Alliierten Kontrollrat wieder eingeführt.

Ab 1956 warb der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Motto "Samstags gehört Vati mir" für die Einführung der Fünftage- beziehungsweise Vierzigstundenwoche. Daraufhin setzte sich das arbeitsfreie Wochenende zunehmend durch.

In den kommenden Jahrzehnten wuchs in der Arbeitnehmerschaft der Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. 1984 konnten monatelange Tarifverhandlungen und mehrwöchige Streiks erst durch ein Schlichtungsverfahren beendet werden. Im sogenannten Leber-Kompromiss wurden Arbeitszeitverkürzungen an eine flexiblere Verteilung von Arbeitszeiten gekoppelt. So ermöglichten Betriebsvereinbarungen etwa individuelle Arbeitszeiten zwischen 37 und 40 Stunden pro Woche, sofern eine durchschnittliche betriebliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden eingehalten wurde.

Mit dem Arbeitszeitgesetz, das 1994 in Kraft trat, wurde europäisches Recht umgesetzt und der Achtstundentag an den sechs Werktagen pro Woche mit einigen Einschränkungen festgeschrieben. Die acht Stunden werktäglicher Arbeitszeit werden hier um umfangreiche Flexibilitätsspielräume ergänzt. So kann beispielsweise die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen durchschnittlich acht Stunden Arbeit am Tag nicht überschritten werden.

Stempeluhr
Noch heute ist die Stempeluhr Hilfsmittel zur Zeiterfassung in vielen Berufen. picture alliance/Vintage

Einige Gruppen sind jedoch vom Arbeitszeitgesetz ausgenommen, dazu gehören unter anderem Selbstständige, leitende Angestellte, Chefärzte oder Beamte. Ab 2000 wurde teils eine Wochenarbeitszeit von mehr als acht Stunden täglich auch im tarifvertraglichen Beschäftigungsverhältnis verlangt.

Deutsche arbeiten deutlich länger als tarifvertraglich vereinbar

Nach einer Studie des Kölner Instituts zur Erforschung sozialer Chancen (ISO) zur realen Arbeitszeit in deutschen Betrieben, arbeitete 2004 ein Vollzeitbeschäftigter im Schnitt 42 Stunden pro Woche und damit deutlich länger als tarifvertraglich vereinbart. Weitere Studien ergeben, dass elf Prozent der Beschäftigten in Deutschland länger als zehn Stunden bei der Arbeit verbringen. 66 Prozent machen spätestens nach neun Stunden Feierabend.

Je länger die Arbeitszeit, umso häufiger berichten Beschäftigte über eine schlechtere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Auch einige gesundheitliche Beschwerden nehmen mit steigender Arbeitszeit zu. So geben 31 Prozent der Befragten an, die spätestens nach neun Stunden die Arbeit beenden, unter Schlafstörungen zu leiden.

Von den Beschäftigten, die nach mehr als zwölf Stunden Feierabend machen, berichtet dies beinahe die Hälfte (46  Prozent). Diese und weitere Fakten unterstreichen die Bedeutung einer guten Arbeitszeitgestaltung, die sowohl den betrieblichen Erfordernissen als auch dem Schutz der Beschäftigten gerecht wird.


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