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Beratung bei Anfeindung
"Scicomm-Support" veröffentlicht Zahlen

Eineinhalb Jahre nach dem Start gibt die Anlaufstelle Einblicke in ihre Arbeit. Bei den meisten Hilfesuchenden geht es um Anfeindungen im Netz.

05.12.2024

Das Interesse an den Angeboten für angefeindete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist hoch, das berichtet das Team von "Scicomm-Support" am Mittwoch bei einer digitalen Informationsveranstaltung zu ihrer Arbeit. Die nationale Anlaufstelle ist seit Juli 2023 telefonisch täglich von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr abends erreichbar für Forschende, Kommunikatorinnen und Kommunikatoren, die von Angriffen in der Wissenschaftskommunikation betroffen sind. Außerdem bietet "Scicomm-Support" Workshops und Trainings an sowie einen Leitfaden, der zur Selbsthilfe in Konfliktsituationen heruntergeladen werden kann.

In sechzig Fällen habe die 22 ehrenamtlich tätigen Beraterinnen und Berater inzwischen telefonisch beraten. Teilweise verlief die Betreuung über Monate hinweg mit zahlreichen Kontaktpunkten, wie die nicht-repräsentative Zwischenbilanz der Beratungsstelle zeigt. In einer Minderheit der Situationen (19 von 60) sei dabei die Unterstützung nach drei und weniger Austauschen beendet gewesen. In der Hälfte der Fälle sei mit juristischer Unterstützung beraten worden.

Wie "Scicomm-Support" im Einzelfall hilft

Einer dieser Fälle ist der der Doktorandin Janna Luisa Pieper von der Georg-August Universität Göttingen. Sie wurde im Februar das Zentrum eines Shitstorms, nachdem sie als Expertin ein Fernsehinterview zu den herrschenden Bauernprotesten gegeben und auf rechtspopulistische Tendenzen in der Bewegung hingewiesen hatte. Sie berichtete am Mittwoch gemeinsam mit "Scicomm-Support", wie die Anlaufstelle ihr bei den Anfeindungen geholfen hat. 

"Es ist wichtig zu zeigen, dass man sich durch so etwas nicht einschüchtern lässt." Janna Luisa Pieper

Nicht nur habe sie Hassmails, Drohbriefe und zahlreiche Anrufe erhalten, es sei auch versucht worden, gerichtlich mit einstweiligen Verfügungen gegen sie vorzugehen. Die Beratungsstelle habe ihr als Ansprechpartner sehr geholfen ebenso wie das Wissen, "ich bin nicht alleine". Sie möchte ihre Expertise trotz der Erfahrung weiterhin mit der Öffentlichkeit teilen. "Es ist wichtig zu zeigen, dass man sich durch so etwas nicht einschüchtern lässt", so Pieper.    

Statistik: Wer hat die telefonische Beratung wahrgenommen?

Die meisten Personen, die sich bisher an die telefonische Beratung gewendet haben, kommen aus Nordrhein-Westfalen und Berlin, so der Zwischenbericht. Hauptsächlich seien es Frauen gewesen (38 von 60 Anrufenden). Vermehrt hätten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Beratung gesucht (49), weniger Anrufende seien Kommunikatorinnen und Kommunikatoren (11). Unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seien die verschiedenen Karrierelevel unterschiedlich stark vertreten gewesen. Dem Zwischenbericht zufolge sind 18 Professorinnen und Professoren beraten worden, zwölf Postdocs, sechs Promovierende und drei Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren. Die meisten Forschenden hatten demnach einen fachlichen Hintergrund in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften gehabt (25) gefolgt von Geisteswissenschaften und Geowissenschaften (jeweils vier). Julia Wandt, Mit-Initiatorin von "Scicomm-Support", erläuterte, dass meist Personen betroffen seien, die zu wissenschaftlichen Themen kommunizieren, die eine hohe gesellschaftliche Bedeutung hätten oder kontrovers seien.

Bei den Konflikten habe es sich um 26 Fälle von Online-Anfeindungen gehandelt, 16 Situationen, in denen die Betroffenen online und offline angegriffen worden seien sowie zehn Konflikte, die rein offline stattgefunden hätten. In acht Fällen sei eine Beratung abgelehnt worden. Die Webseite der Beratungsstelle sei über 30.000 Mal aufgerufen und der kostenlose Leitfaden knapp 2.400 Mal aufgerufen oder heruntergeladen worden. Über angebotene Trainings und Workshops habe "Scicomm-Support" 475 Teilnehmende von 29 Trainings erreicht, 32 weitere Workshops seien geplant.

Blick in die Zukunft der Anlaufstelle

Zu "Scicomm-Support" selbst erklärte Wandt, dass das Angebot noch bis Ende April 2025 durch den Verein "Bundesverband Hochschulkommunikation" und "Wissenschaft im Dialog" finanziert sei. Für die Zukunft der Anlaufstelle sei eine Ausgründung als gemeinnützige Einrichtung geplant, die finanziell auf eigenen Füßen steht.

Vor dem Ende der Ampel-Koalition habe sich auch eine Förderung aus dem Bundeshaushalt angekündigt. Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz und des hohen Interesses geht Wandt aber davon aus, das es in Zukunft zu einer Unterstützung kommt.

cpy