Teilnehmer sprechen miteinander während einer Unterbrechung der Abschlusszeremonie beim UN-Klimagipfel COP27.
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Weltklimakonferenz COP27
Spitzenforscher kritisiert Verhandlungen auf Klimagipfel

Gegen die Erderwärmung hat die jüngste Weltklimakonferenz kaum Fortschritte gebracht. Was ein Klimaexperte für künftige Konferenzen empfiehlt.

21.11.2022

Die Wissenschaft muss nach Ansicht des renommierten Klimaforschers Professor Johan Rockström im Ringen der Weltgemeinschaft gegen die Klimakrise mehr Gehör finden. "Die Wissenschaft hat eine viel zu schwache Stimme in den Verhandlungen der Klimakonferenzen", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) nach dem Ende der Weltklimakonferenz COP27, dem zweiwöchigen Mammuttreffen im ägyptischen Scharm el Scheich, der Deutschen Presse-Agentur. So sei vielen Diplomaten nicht klar, wann welche Klimafolgen in welchem Ausmaß zu erwarten seien. "Das ist verständlich, aber auch bedauerlich."

Die Forschung der letzten Jahre habe gezeigt, dass Klimarisiken eher unterschätzt würden und der Klimawandel schneller voranschreite als befürchtet. "Stürme, Hitzewellen, Fluten und Dürren treten häufiger und intensiver auf als wir vorhergesagt haben", sagte Rockström. Gefährliche Kipppunkte mit unumkehrbaren Folgen seien näher als zuvor angenommen.

Es sei daher sehr beunruhigend, dass einige Stimmen in den Verhandlungen die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage stellten. "Die Entscheider brauchen vermutlich eher mehr Wissenschaft am Verhandlungstisch, nicht weniger", sagte Rockström. "Ich denke, dass wir den ganzen Prozess der Klimakonferenzen reformieren müssten, um gehaltvollere Ergebnisse in den Verhandlungen zu bekommen."

Forscher: Wissenschaft muss auf Klimagipfel mehr Gehör finden

Seine Vision: Die Verhandler der Staaten sollten anders als bisher tägliche Briefings zum aktuellen Forschungsstand zu Klimarisiken, Kipppunkten und anderen wichtigen Feldern bekommen und vor diesem Hintergrund die Maßnahmen und Ziele ihrer Staaten verteidigen müssen. Außerdem müsse in den Arbeitsgruppen ein engerer Austausch zwischen Verhandlern und Wissenschaftlern stattfinden.

Dem Klimagipfel in Ägypten stellt der schwedische Forscher ein ungenügendes Zeugnis aus: "1,5 Grad ist auf dem Papier noch vorhanden", sagt er mit Blick auf das international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung bei dieser Grenze zu stoppen und damit die katastrophalsten Folgen abzuwenden. Auch die Notwendigkeit, dafür den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent zurückzufahren, sei erwähnt – "aber mit keinem konkreten Plan, dies auch zu erreichen". Die Beschlüsse, in denen nicht einmal der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen genannt werde, gingen nicht über die Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow hinaus, was längst nicht ausreichend sei.

"Bei dem, was auf dem Spiel steht, sind die Ergebnisse des Gipfels einfach nicht gut genug", bilanziert der Forscher. Deutschland und die EU müssten nun versuchen mit den USA und China zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen. Mit so vielen Ländern wie möglich um Einigungen zu ringen, wie es auf den Klimakonferenzen geschehe, sei zwar gut, aber eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen möglicherweise noch effizienter.

Klimaexperte: "Allianz der Willigen" muss vorangehen

Auch der Klimaexperte Professor Mojib Latif hält Klimakonferenzen in ihrer derzeitigen Form nicht für zielführend. Weil bei UN-Verhandlungen stets das Prinzip der Einstimmigkeit gelte, könne man sich immer nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, beklagte Latif, der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) forscht. Länder wie Deutschland oder die USA, die wirklich Klimaschutz betreiben wollten, müssten sich zu einer "Allianz der Willigen" zusammentun und Maßnahmen umsetzen, forderte er am Montag im Deutschlandfunk.

Die 27. Weltklimakonferenz ist am Sonntag nach zähen Verhandlungen um eine Abschlusserklärung zu Ende gegangen. Geeinigt hat sich die Staatengemeinschaft aus rund 200 Ländern darauf, bis zur nächsten Klimakonferenz im Jahr 2023 einen Fonds für Klimakompensationen einzurichten, aus dem die klimabedingten Schäden in den ärmsten und verletzlichsten Ländern der Welt bezahlt werden sollen. Unklar blieb dabei, wer wieviel in diesen Fonds einzahlt, und welche Staaten genau davon profitieren werden. Bei den allermeisten anderen verhandelten Zielen kam es zu keiner Einigung. Vor allem die arabischen Länder verhinderten konkrete Pläne zur Reduktion von Emmissionen und den Ausstieg aus fossilen Energien.

aktualisiert am 21.11.2022 um 12.50 Uhr, zuerst veröffentlicht um 11.06 Uhr

dpa/ckr