Ein aufgeschlagenes Buch
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Buchtipps – Teil 2
Und was lesen Sie am liebsten?

Die ruhigen Wintertage laden zum Lesen ein. Wir haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, welche Bücher sie empfehlen.

25.12.2020

Vinzenz Hediger empfiehlt: Penelope Fitzgerald: Offshore, Human Voices, The Beginning of Spring. Verlag Knopf 2003.

Portraitfoto von Prof. Dr. Vinzenz Hediger
Vinzenz Hediger ist Professor für Filmwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. privat

Penelope Fitzgerald (1916-2000) veröffentlichte ihren ersten Roman mit 61 und gewann mit ihrem zweiten, Offshore, 1979 den Booker Prize. Auf Deutsch noch nicht übersetzt ist Human Voices (1980), eine Liebesgeschichte im Tonarchiv der BBC im 2. Weltkrieg und ebenso ein Fest für Medienhistoriker wie The Beginning of Spring (deutsch "Frühlingsanfang"), die Familiengeschichte eines englischen Druckereibesitzers im vorrevolutionären Moskau.

Romane wie große Gedichte: Jedes Wort zählt, und die Auslassungen erst recht. So möchte man schreiben können.


Judith Simon empfiehlt: Helen E. Longino: The Fate of Knowledge. Princeton University Press 2002.

Portraitfoto von Prof. Dr. Judith Simon
Judith Simon hat den Lehrstuhl für Ethik in der Informationstechnologie an der Universität Hamburg inne. UHH/Nicolai

Selten stand die Wissenschaft so im Blickpunkt der Öffentlichkeit wie in diesem Jahr. Die Vorläufigkeit und Pluralität wissenschaftlicher Erkenntnisse beschäftigte nicht mehr nur Philosophinnen und Soziologen in ihren Elfenbeintürmen, sondern war Kern kontroverser gesellschaftlicher Debatten über Wesen und Bedeutung der Wissenschaften. Longino analysiert wissenschaftliche Praxis als gleichzeitig rationalen und sozialen Prozess. Genaue und faire Kritik sowie deren Anerkennung sind zentrale Merkmale guter Wissenschaft. Longinos Buch selbst ist hierfür ein gutes Beispiel: Es zeichnet sich durch große analytische Klarheit aus, durch Präzision in der Analyse und Fairness in der Kritik verschiedenster philosophischer und soziologischer Ansätze.


Elisa Hoven empfiehlt: Jan Philipp Reemtsma: Im Keller. Rowohlt Taschenbuch, 7. Auflage 2018.

Portraitfoto von Prof. Dr. Elisa Hoven
Elisa Hoven hat den Lehrstuhl für deutsches und ausländisches Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medienstrafrecht an der Universität Leipzig inne. privat

Jan Philipp Reemtsma beschreibt seine 33 Tage dauernde Entführung und die Rückkehr in den Alltag mit bedrückender Intensität. Die außergewöhnliche Stärke des Buches liegt darin, dass Reemtsma zugleich als Opfer und als Wissenschaftler schreibt. Sein Text ist eine permanente und ungeschönte (Selbst-)Reflexion. Reemtsma lässt den Leser nicht nur an seinen Gefühlen während der Zeit im Keller teilhaben, er analysiert jeden Gedanken und jede Emotion – auch gegenüber dem Entführer.

Eindringlicher ist das Erleben einer Viktimisierung und ihrer Folgen selten erzählt worden. Und nicht nur für Strafrechtlerinnen und Strafrechtler ist Reemtsmas Mahnung, dass sich die Gesellschaft durch die Bestrafung des Täters an die Seite des Opfers stellen muss, eine wichtige Erkenntnis.


Gabi Reinmann empfiehlt: Peter Bieri: Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens. Fischer Taschenbuch, 12. Aufl. 2017.

Portraitfoto von Prof. Dr. Gabi Reinmann
Gabi Reinmann ist Professorin für Lehren und Lernen an der Hochschule und leitet das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen an der Universität Hamburg. privat

"Ich wollte über ein zum Verzweifeln komplexes Thema in einfacher, mühelos fließender Sprache schreiben, die ohne unnötige Fremdwörter und ohne Jargon auskäme. Die befreiende Erfahrung war: Es geht!" – so Peter Bieris treffende Worte im Vorwort von "Das Handwerk der Freiheit".

Ziemlich genau 20 Jahre alt ist dieses Buch über die bedingte, unbedingte und angeeignete Freiheit, über den Willen und die Selbstbestimmung. Es hat für mich nichts an Aktualität verloren und eignet sich als Begleiter auch in einer so ungewöhnlichen Zeit, wie wir sie gerade erleben.