

Standpunkt
Universität als lernende Institution
Universitäten stehen nicht nur unter politischem und finanziellem, sondern auch unter strukturellem Druck. Diese Herausforderungen sollten Ausgangspunkt für eine selbstbestimmte Erneuerung sein. Niedrige Beteiligung an universitären Wahlen und ungenutzte Ressourcen weisen auf ein tieferliegendes Problem hin: fehlende Identifikation, geringe Teilhabe und institutionelle Trägheit. Es braucht keinen äußeren Gegner – innere Widerstände und ineffiziente Strukturen genügen, um eine Universität zu schwächen.
Wer gesellschaftlich relevant bleiben und Werte wie Demokratie und Freiheit aktiv leben will, muss Reformen aus innerer Überzeugung angehen. Die traditionellen Leitbegriffe "Forschung und Lehre" sind zwar als ideelles Erbe Wilhelm von Humboldts tief im Selbstverständnis deutscher Universitäten verankert. Doch so unverrückbar diese Begriffe scheinen, als Leitbild für die Weiterentwicklung der Universität taugen sie nur bedingt. Sie bilden weder die Vielfalt universitärer Aufgaben ab noch den eigentlichen Zweck: das gemeinsame Lernen und Befähigen.
"Großes Denken und Handeln muss im Zentrum der Aufmerksamkeit ankommen."
Dieses Prinzip sollte das Handeln aller Statusgruppen leiten – von der Professorenschaft über die wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden bis hin zu Technik-, Service- und Verwaltungskräften. Der Wert einer Universität bemisst sich nicht an Publikationszahlen oder Drittmitteln, sondern an ihrer Bereicherung von Zivilgesellschaft und Wirtschaft durch Erkenntnisse, Menschen und Ideen.
Konkret sollten Neid, Drama und das beliebte Tontaubenschießen bei Ideen ersetzt werden durch das Feiern von Erfolgen und grandiosen, lehrreichen Misserfolgen. Kleinteilige Dokumentationsaufgaben müssen Vertrauen und Stichproben weichen, damit Denkzeit gewonnen wird. Großes Denken und Handeln muss im Zentrum der Aufmerksamkeit ankommen.
"Angesichts eines stetigen Wandels müssen Universitäten institutionelles Lernen verankern, auch in der Governance."
Allerdings sind auch zentrale universitäre Strukturen wie Verwaltung und Governance entscheidend für das Gelingen dieses Ansatzes. Die Verwaltung sollte als lernende Organisation verstanden werden und wissenschaftliches Denken übernehmen: Hypothesen prüfen, Fehler analysieren, sich kontinuierlich mit Blick auf den Gesamtzusammenhang verbessern. Angesichts eines stetigen Wandels müssen Universitäten institutionelles Lernen verankern, auch in der Governance.
Konkret könnte das passive Gremienwahlrecht befristet werden, um Durchlässigkeit zu erhöhen. Ebenso könnten Wahllisten abgeschafft werden, damit Sachfragen nicht unter Parteipolitik leiden. Nur wenn alle Strukturen flexibel auf Herausforderungen reagieren, kann die Universität ihrem Auftrag gerecht werden: Lernen und Befähigen zu ermöglichen.
Es ist an der Zeit, die Universität als lernende Gemeinschaft zu betrachten und kooperativ danach zu handeln.