Portraitfoto von Dr. Suzanna Randall
Marek Beier

Tag der bemannten Raumfahrt
Vom Traum einen anderen Himmelskörper zu betreten

Seit 60 Jahren fliegen Menschen ins All. Was hat sich seither verändert? Fragen an die Astrophysikerin und angehende Astronautin Suzanna Randall.

Von Friederike Invernizzi 12.04.2021

Forschung & Lehre: Der Tag der bemannten Raumfahrt beziehungsweise der Tag der Kosmonauten ist der Gedenktag an den ersten bemannten Flug ins Weltall durch Jurij Gagarin am 12. April 1961. Was hat sich in den 60 Jahren seither an der Faszination ins Weltall zu fliegen verändert?

Suzanna Randall: Das Faszinierende war damals, die Erde zu verlassen und ins Unbekannte aufzubrechen. Man wusste nicht, ob man diese Reise überhaupt überleben würde. Das war etwas ganz anderes als heute. Inzwischen ist die astronautische Raumfahrt viel alltäglicher geworden. Wir haben mittlerweile mit unbemannten Raumsonden viele Planeten unseres Sonnensystems erkundet, es sind viele Satelliten in der Erdumlaufbahn und es starten viele Raketen. Außerdem gibt es heute durch die moderne Infrastruktur (IT und Telekommunikation) viel mehr Möglichkeiten und die Raumfahrt ist viel mehr von kommerziellen Interessen geprägt. Natürlich übt sie immer noch eine große Faszination aus, gerade auch bei Kindern und Jugendlichen. Es herrscht immer noch Pioniergeist, aber auf einem anderen Niveau. Was die Menschen heute fasziniert, wäre, noch einmal einen anderen Himmelskörper zu betreten.

F&L: Wie wurde Ihr Traum geboren, Astronautin zu werden?

Suzanna Randall: Bei mir war die Liebe zum Weltall von klein auf da. Ich habe schon als Kind immer hochgeschaut zu den funkelnden Sternen und wollte wissen, was da oben passiert. Das hat mich sehr fasziniert. Als ich älter wurde und lesen konnte, habe ich alles zum Thema Weltraum gelesen. Ich weiß nicht, woher das kommt, denn keiner aus meiner Familie hat mit dem Thema Weltall zu tun. Mich faszinieren die Größe und die Weite des Universums, man kann sich mit dem menschlichen Gehirn diese Räume und Distanzen gar nicht vorstellen. Und natürlich habe ich dann auch gesagt: ich werde Astronautin! Das war zunächst unrealistisch, daher habe ich dann erstmal ganz normal ein Studium der Astronomie aufgenommen.

F&L: Welche Fähigkeiten sind wichtig und welche Rolle spielen Glück und Zufall, wenn man Astronaut oder Astronautin werden will?

Suzanna Randall: Man braucht auf jeden Fall einen naturwissenschaftlichen oder technischen Hintergrund. Es werden immer gerne Piloten, also Test- oder Kampfpiloten, genommen und zunehmend auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, da man sich bei der Erforschung des Weltraums immer mehr wissenschaftlichen Fragen widmet. Vor 60 Jahren ging es darum, die Vorherrschaft über das Weltall zu übernehmen, heute geht es mehr um Forschung. Da werden nicht nur Astrophysiker wie ich gesucht, es sind auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen technischen Disziplinen gefragt. Oben auf der Raumstation muss man die Experimente vernünftig durchführen können, da ist das logische Herangehen wichtig. Die nächste wichtige Voraussetzung ist, dass man gesund ist, also keine schweren Erkrankungen wie Epilepsie oder andere Herz-Kreislauferkrankungen hat. Das wäre viel zu gefährlich bei den Belastungen, denen der Körper während der Mission ausgesetzt ist. Außerdem braucht man sehr gute Kenntnisse der englischen Sprache. Russisch ist auch von Vorteil, aber nicht zwingend. Als Charakteristika werden eher Allroundtalente gesucht, Menschen mit breiten Kompetenzen. Also Personal, das in der Lage ist, wissenschaftliche Experimente durchzuführen, das aber auch teamfähig und kollegial ist. Und nicht zuletzt braucht man ganz viel Glück!

Wege ins All

Die Astrophysikerin Dr. Suzanna Randall wird im Rahmen der privaten Initiative "Die Astronautin" zur Astronautin ausgebildet. Sie ist eine der beiden Finalistinnen des Stiftungsprogramms, das die erste deutsche Frau ins Weltall bringen will.

Wer wie sie schon immer vom Weltraum geträumt hat, kann sich seit Ende März auch als Astronautin oder Astronaut bei der europäischen Raumfahrtagentur Esa bewerben. Bewerbungen zu dem sechsstufigen Auswahlverfahren der Esa können online bis zum 28. Mai eingereicht werden. Im Herbst 2022 soll die Auswahl abgeschlossen sein und die neue Raumfahrt-Crew feststehen. Zur bisherigen Crew der Esa gehören unter anderem Deutschlands aktuell bekannteste Astronauten: Der Geophysiker Dr. Alexander Gerst, auch "Astro-Alex" genannt, und der Materialwissenschaftler Dr. Matthias Maurer.

Es ist das erste Mal seit mehr als einem Jahrzehnt, dass die Esa neue Astronauten sucht. Festangestellt werden sollen laut Esa vier bis sechs sogenannte Karriere-Astronauten. Außerdem sucht die Organisation bis zu 20 Astronautinnen und Astronauten als Reserve. Die Esa ist außerdem explizit auf der Suche nach einer Astronautin oder einem Astronauten mit einem bestimmten Grad an körperlicher Behinderung für das Programm "Parastronaut".

F&L: Sie kritisieren das Ungleichgewicht der Geschlechter in der Raumfahrt. Woher kommt das und wie können sich Frauen mehr in der Raumfahrt etablieren?

Suzanna Randall: In allen MINT-Bereichen sind die Frauen aus verschiedenen Gründen mehr oder weniger unterrepräsentiert. Daher ist schon der Pool an gut ausgebildeten Frauen als mögliche Kandidatinnen in der Raumfahrt kleiner als bei den männlichen Bewerbern. Dazu kommt, dass sich Frauen von bestimmten Ausschreibungen nicht so sehr angesprochen fühlen wie Männer. Wenn Frauen nicht hundertprozentig alle Anforderungen erfüllen, bewerben sie sich nicht. Männer denken dagegen: Ich kann doch die Hälfte, ich bewerbe mich! Frauen brauchen außerdem Vorbilder und Identifikationsfiguren, gerade in ihrer Kindheit oder Jugend. Bei mir war es die amerikanische Astronautin Sally Ride, die wirkte nett und sympathisch und hat mich sehr angesprochen. Das war ein Mensch, mit dem ich mich identifizieren konnte. Was wir auch brauchen, ist eine gezielte Förderung von Mädchen und Frauen. Dazu muss man schauen, wo findet unbewusste Diskriminierung statt, wo könnte man eher eine Frau einstellen statt einem Mann, um die Präsenz der Frauen zu erhöhen und so weiter. Leider ist es immer noch so, dass ganz aktiv der Diskriminierung entgegengewirkt werden muss. Dafür ist meines Erachtens eine Quote notwendig, zumindest vorrübergehend. Da wir bei der Zahl berufstätiger Frauen seit Jahren stagnieren, bedarf es aktiver Maßnahmen. Es reicht nicht abzuwarten, bis sich die jungen, gut ausgebildeten Frauen durchsetzen.  

F&L: Wie ist Ihre Prognose für die Reisen von Menschen ins All?

Suzanna Randall: In den nächsten Jahren werden wir nicht bis zum Mars kommen, aber wir werden kommerzielle Nachfolger der Raumstation ISS sehen. Und wir werden auch wieder Flüge mit Menschen zum Mond haben. Dort werden sich eventuell auch sogar Kolonien bilden, als Vorbereitung für den großen Sprung zum Mars, der vermutlich in dreißig Jahren sein wird und uns vor noch ganz andere Herausforderungen stellt.