Blick auf eine leere Straße in Berlin Mitte, auf der nur ein Radfahrer zu sehen ist.
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Bildungsgruppen
Vor allem höher Gebildete fahren häufig Rad

Die verschiedenen Bildungsgruppen haben sich in ihrer Fahrradnutzung auseinanderentwickelt. Die Bedeutung ihres Radfahrens unterscheidet sich.

17.01.2022

Vor allem höher Gebildete nutzen nach Erkenntnissen eines Wissenschaftlers häufig das Fahrrad. Stadtbewohner mit Abitur waren demzufolge im Jahr 2018 durchschnittlich 70 Minuten pro Woche mit dem Rad unterwegs, Stadtbewohner ohne Abitur dagegen nur 42 Minuten. Auf dem Land war der Unterschied den Angaben zufolge nicht so groß, doch auch dort nahmen Menschen mit höherem Bildungsgrad häufiger das Rad.

Der Soziologe Dr. Ansgar Hudde von der Universität Köln hat zu dem Thema zwei Studien in Fachmagazinen veröffentlicht. Grundlage für seine Auswertungen sind repräsentative Daten aus dem deutschen Mobilitätspanel für die Jahre 1996 bis 2018 und aus der Studie "Mobilität in Deutschland 2017" des Bundesverkehrsministeriums. In den Datensätzen werden alle Wege von mehr als 55.000 Befragten aufgeführt und die Verkehrsmittel, die sie dafür genutzt haben. Insgesamt geht es um etwa 800.000 Wegstrecken.

Um zu überprüfen, ob der Zusammenhang zwischen Bildung und Fahrradfahren möglicherweise nur eine Scheinkorrelation sei, habe er in seine Analysen Hintergrundinformationen zu den Befragten mit eingeschlossen, sagte Hudde. "Wer im Schichtdienst ist, fährt vielleicht nur deshalb seltener mit dem Fahrrad, weil das nachts zu ungemütlich ist. Aber auch wenn ich solche Faktoren wie zum Beispiel Weglänge, Alter, Einkommen und Wohnort statistisch berücksichtige, bleibt der Bildungsunterschied bestehen."

Wer Fahrrad fährt und was es bedeutet

1996 seien die unterschiedlichen Bildungsgruppen bei der Fahrradnutzung noch nah beieinander gewesen, sagte Hudde. Doch seitdem hätten sich beide Gruppen auseinanderentwickelt. "Die Gruppe mit höherer Bildung hat ihre Fahrradzeit seit 1996 verdoppelt." Dabei spiele auch eine Rolle, dass mit dem Fahrrad mittlerweile eine klare Botschaft verbunden sei. Bei einem Blind Date etwa könne man allein dadurch viel über sich aussagen, dass man mit dem Fahrrad komme – und nicht im dicken SUV.

Für Menschen mit niedrigerem Bildungsstatus sei ein Auto häufiger wichtig, um beruflichen Erfolg zu zeigen. Höher Gebildete liefen hingegen weniger Gefahr, als arm oder erfolglos wahrgenommen zu werden. "Wenn eine Professorin mit dem Fahrrad zur Uni kommt, denkt niemand 'Oh, die kann sich wohl kein Auto leisten'. Sondern man denkt: 'Cool, die ist umweltbewusst.'" Ein anderes Beispiel sei Cem Özdemir, der mit dem Fahrrad zu seiner Vereidigung als Minister zum Bundespräsidenten gefahren war. "Jeder weiß, dass der S-Klasse fahren könnte", sagte Hudde. "Es geht ihm aber um die Botschaft. Und die wird verstanden."

Hudde stellt für Deutschland einen Fahrrad-Boom in den letzten 25 Jahren fest, im Rahmen dessen die Fahrradnutzung um 40 Prozent zugenommen hat. Dieser Zuwachs habe nicht nur mit neuen Verhaltensweisen innerhalb der einzelnen Gruppen zu tun, sondern auch mit einer veränderten Bevölkerungsstruktur. Dazu gehörten steigende Bildungslevel, die auch das Fahrradfahren weiter befördern werden (Studie 1). Besonders Hochschulbildung vergrößere die Neigung zum Radfahren: die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit der Fahrradnutzung nehme durch sie um 50 Prozent zu (Studie 2).

dpa/cpy