Gedenkstätte für die 80.000 jüdischen Opfer des Holocaust aus Böhmen und Mähren mit einer Wand der Opfernamen, Prag.
mauritius images / Photononstop / Catherine Leblanc

Antisemitismus
Vorfälle an Hochschulen haben sich verdreifacht

Der Bundesverband RIAS hat seinen Jahresbericht für 2024 veröffentlicht. Antisemitische Geschehnisse haben stark zugenommen, auch an Hochschulen.

04.06.2025

8.627 antisemitische Vorkommnisse hat es 2024 in Deutschland gegeben – rund 77 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht des Bundesverbands Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervor. Der Anstieg beziffere die langfristigen Folgen des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 für die Lage von Jüdinnen und Juden in Deutschland. An Hochschulen habe es dreimal so viele antisemitische Zwischenfälle gegeben wie noch 2023.

Antisemitisches Verhalten an Bildungseinrichtungen

Die Mehrzahl der dokumentierten antisemitischen Geschehnisse hatte einen Bezug zum 7. Oktober 2023 und zum Krieg im Nahen Osten, meldet RIAS. An Hochschulen sei die Anzahl der antisemitischen Vorkommnisse von 151 auf 450 gestiegen. Im Jahr 2022 hatte die Anzahl laut Bericht noch bei 23 gelegen. In pro-palästinensischen Protestcamps seien antisemitische Stereotype verbreitet worden, zudem seien Mitarbeitende und Studierende beleidigt, bedroht und angegriffen worden. Auch an Schulen habe es knapp 300 Vorfälle gegeben.

Professor Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, nahm dazu in einer Mitteilung vom Mittwoch Stellung: Der erneute Anstieg der Zwischenfälle an den Hochschulen zeige, "dass wir in unserem Eintreten gegen alle Formen des Antisemitismus und in unseren Anstrengungen zu seiner Prävention nicht nachlassen dürfen". Würden sich Betroffene aus den Hochschulen zurückziehen, verletze dies die Werte der Hochschulen und der demokratischen Gesellschaft.

Die Aktivistinnen und Aktivisten hinter pro-palästinensischen Protesten an den Hochschulen zielten darauf ab, Antisemitismus zu normalisieren. Dabei befähigten Hochschulen ihre Mitglieder und die Gesellschaft eigentlich dazu, dagegen einzutreten, etwa durch Forschung zu Antisemitismus und antisemitismuskritische Bildung. Einige Hochschulen hätten auch bereits Beauftragte gegen Antisemitismus ernannt. Die zweite vom BMBF beauftragte Schnellbefragung zu Antisemitismus an Hochschulen hatte ergeben, dass etwa sechs bis sieben Prozent der Studierenden in Deutschland antisemitische Einstellungen haben, wie das Ministerium Anfang April mitteilte. Demnach hatten 40 Prozent der befragten 94 Hochschulleitungen angegeben, dass es bei ihnen zu pro-palästinensischen Protesten oder antisemitischen Vorfällen gekommen sei.  

Bezug zu Israel überwiegt

Mehr als zwei Drittel aller Vorfälle hatten laut RIAS Bezug auf den 7. Oktober 2023, Israel und den Gaza-Krieg genommen. Eine Entspannung sei demnach nicht feststellbar gewesen.

Deutlich sei auch die Zunahme der antisemitischen Zwischenfälle in politischen Kontexten wie Versammlungen und Demonstrationen. Diesen begegne die Politik mit einer zunehmenden Gewöhnung an die Vorfälle und ihrer Normalisierung.

Daten hinter dem Bericht

Grundlage des Jahresberichts sind die Erkenntnisse der elf RIAS-Meldestellen in ganz Deutschland. Bei diesen werden Vorfälle durch Betroffene sowie Zeuginnen und Zeugen gemeldet und Informationen verarbeitet, die andere Organisationen an RIAS übermitteln. Einen systematischen bundesweiten Abgleich mit den polizeilichen Statistiken zu antisemitischen Straftagen gab es auch 2024 nicht. Dies geschah nur in Brandenburg, Hessen und Niedersachsen.

RIAS betont, dass die dokumentierten Fälle nur einen "Ausschnitt" darstellten, da man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen müsse. Daher sei die Anzahl der gemeldeten Vorfälle statistisch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

aktualisiert am 5. Juni [Korrektur der Anzahl antisemitischer Vorfälle 2024] um 10:23 Uhr; erstmals veröffentlicht am 4. Juni 2025

cpy/cva