KI und Bildung
Was wir 2025 noch lernen sollten
Während das alte Jahr zu Ende geht, schweift der Blick in die Zukunft: Viele fassen Ziele für die kommenden zwölf Monate. Dazu gehört für manche auch die Frage, wie sie sich im kommenden Jahr persönlich und beruflich weiterentwickeln wollen.
Aber muss man noch Sprachen lernen, wenn man beliebige Texte bequem von einem auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierten Sprachmodell übersetzen lassen kann? Sollte man sich selbst die Mühe machen, einen Artikel zu korrigieren oder sich um einen guten Schreibstil bemühen, wenn die KI beides tun kann? Was ist gar mit dem Auswendiglernen von grundlegenden Fakten? Künstliche Intelligenzen können einem in vielen Bereichen das Aneignen von Fachwissen abnehmen und Tätigkeiten übernehmen, die Menschen meist nur mit viel Übung hervorragend beherrschen lernen. Bedeutet das, dass es sich kaum noch lohnt 2025 etwas Neues zu erlernen? Und was ist mit den KI-Technologien selbst? Was können wir über sie und unseren Umgang mit ihnen lernen?
Diese Frage hat "Forschung & Lehre" Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gestellt, die am nächsten an der Materie dran sind: KI-Forscherinnen und -Forscher und IT-Experten. Die Antworten sind sehr unterschiedlich – in einer Ansicht stimmen sie allerdings alle überein: Bildung bleibt relevant und es gibt noch viel zu lernen.
Professorin Anna Rohrbach
Auf die Frage hin, was sich im Jahr 2025 noch zu lernen lohnt, habe ich mir natürlich von ChatGPT Rat geholt. Das Programm hat bescheiden zugegeben, dass ihm an Kreativität und Empathie fehle und es auch nicht Klavier spielen könne. Es meinte, ich könne mir ja diese Fähigkeiten aneignen. Ehrlich gesagt, habe ich immer schon das Klavierspiel erlernen wollen, warum also nicht? Darüber hinaus lerne ich als Mutter von zwei Kindern ständig, ein besseres Elternteil zu sein. Beruflich beabsichtige ich meine Fähigkeiten in der Lehre und bei der Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verbessern, Bereiche, die tatsächlich beide – welch Überraschung – Kreativität und Empathie verlangen! Als Letztes bleibt auch die schwer erreichbare Kunst, private und berufliche Verpflichtungen in Einklang zu bringen, ein Work-in-Progress. Ich wünschte, es gebe dafür einen smarten Assistenten... Oh, ja richtig!
Professor Andreas Dengel
Die Rolle des reinen Wissenserwerbs wird durch die Entwicklung generativer KI-Systeme zunehmend relativiert, während die Fähigkeit, Wissen zu kontextualisieren, kritisch zu bewerten und kreativ anzuwenden, an Bedeutung gewinnt. Der Fokus von Bildung sollte sich stärker auf das Verstehen statt das Reproduzieren verlagern mit einer perspektivischen Erweiterung auf interdisziplinäres Denken und Systemdenken, um komplexe Sachverhalte besser begreifen und Probleme ganzheitlich analysieren zu können. Darüber hinaus sind Fähigkeiten wie Empathie, Teamarbeit und interkulturelle Kompetenz menschliche Eigenschaften, die wichtig bleiben, genauso wie die Fähigkeit, Informationen kritisch zu hinterfragen oder Probleme kreativ zu lösen. Es lohnt sich auch persönlich, diese Kompetenzen zu stärken, da sie in der Zusammenarbeit mit KI entscheidend sind.
Professorin Ute Schmid
Generative KI liefert mächtige und vielfältig einsetzbare Möglichkeiten für Lehrende wie Lernende. Allerdings ist es absolut notwendig, dass generierte Inhalte kritisch geprüft und korrigiert werden. Hierzu sind fachliche Kompetenzen notwendig, die nicht verlernt werden dürfen. Entsprechend sind alle Fachdidaktiken gefragt zu klären, welche Kernkompetenzen unbedingt erhalten bleiben müssen, welche Kompetenzen zukünftig weniger relevant werden und welche neuen Kompetenzen für eine sinnvolle Nutzung generativer KI notwendig sind. In unserem Projekt "Mensch-KI-Co-Creation von Programmcode bei unterschiedlichen Vorkenntnissen: Effekte auf Kompetenz und Vertrauen" (pAIrProg) am Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) adressieren wir dieses Thema im Kontext von Informatikstudiengängen. Dabei gehen wir davon aus, dass grundlegende Programmierkonzepte und damit die Fähigkeit qualitativ hochwertigen Programmcode zu schreiben nur durch learning by doing erworben werden können. Gerade am Anfang des Studiums sind deshalb neue Übungs- und Prüfungsformate erforderlich, die das "Selbermachen" fördern. Wir müssen darauf achten, dass die breite Nutzung von generativer KI nicht zu einem Verlust an Grounding in der Realität führt. Der Extremfall wäre hier, dass mit generativer KI gelöste Übungsblätter mittels generativer KI korrigiert werden.
Professor Henning Wachsmuth
Lernen lohnt sich immer – das wird auch KI nicht ändern. Wir lernen ja nicht nur für die Momente, in denen wir am Computer oder Smartphone Aufgaben lösen. Wir lernen für jeden Moment, in dem wir in der Welt interagieren. Wenn wir mit anderen Menschen sprechen, wenn wir unmittelbar auf eine Situation reagieren müssen oder einfach, wenn wir die Lösung einer KI verstehen wollen, wird uns KI in vielen Fällen wenig helfen. Spannend ist für mich, wie KI unser Lernen verändern wird. Speziell die eindrucksvollen Fähigkeiten generativer KI helfen, bei vielen Aufgaben zu besseren Ergebnissen zu kommen. Aber bislang scheint es oft mehr um schnellere Ergebnisse zu gehen. Wir müssen lernen, wie wir mit KI lernen, wie wir sie effektiv in unser Leben integrieren, wann wir ihr vertrauen und wann wir ihr lieber nicht zu sehr vertrauen sollten. Mal sehen, wie weit wir damit 2025 kommen.
Professorin Iryna Gurevych
Der Umgang mit KI ist ein Bestandteil meines Alltags. Ich leite das Ubiquitous Knowledge Processing Lab an der Technischen Universität Darmstadt und untersuche dort die automatisierte Verarbeitung von natürlicher Sprache (Natural Language Processing). Ich erforsche auch die Grenzen und Schwächen von KI-Sprachmodellen. Im kommenden Jahr möchte ich lernen, wie man KI-Sprachmodelle noch zielführender und sicherer einsetzt. Aktuell sind sie noch sehr unkontrolliert. Es ist wichtig, sie steuern zu können und die Artefakte oder Ergebnisse, die sie produzieren, überprüfen zu können. Nur so kann ein KI-Sprachmodell optimal in Tätigkeiten eingebunden werden und als Werkzeug bestmöglich zum Einsatz kommen. Beim Thema Mensch-KI-Kollaboration gibt es noch einen großen Lernbedarf und viel Forschung, so dass sich dieses Gebiet rasend schnell weiterentwickelt. Ich möchte einer KI nicht blind vertrauen müssen, sondern interaktiv mit den Artefakten umgehen können, die sie produziert. Das ist wichtig für die Qualitätssicherung. Eine KI kann zwar beispielsweise Texte übersetzen, aber natürlich muss man trotzdem Fremdsprachen lernen.
Professor Björn Ommer
Mein Forschungsfeld, die Künstliche Intelligenz, entwickelt sich rasant und hat bereits weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft. Gleichzeitig stehen wir noch am Anfang und sind weit von einer KI entfernt, die dem Begriff Intelligenz wirklich gerecht wird.
Was ich 2025 lernen möchte? Vor allem, wie wir KI effizienter und ressourcenschonender gestalten, wie maschinelles Lernen mehr aus weniger Trainingsdaten schöpfen und besser generalisieren kann und wie wir KI-Systeme nachvollziehbarer und transparenter machen können. Zudem war die Arbeit an KI für mich immer ein Weg, das praktische Verständnis menschlicher Intelligenz zu vertiefen und dem Wesen von Kognition auf den Grund zu gehen. Hier gibt es noch unendlich viel zu entdecken.
Professorin Joanna Bryson
Es ist verlockend zu sagen, dass alles und jedes, das schwierig zu lernen ist, sich auch zu lernen lohnt. Schließlich ist das Lernen zu lernen die beste Herangehensweise, um mit der stetigen Veränderung Schritt zu halten. Aber, was wirklich unseren Wert definiert, ist unsere Gesellschaft. Wenn wir Fähigkeiten haben, die andere entweder nicht erlernen können oder wollen, und wenn wir einen Markt für diese Fähigkeiten finden oder erschaffen, dann können wir mit ihnen für eine gewisse Zeit Geld verdienen. Wenn wir gut planen und ein bisschen Glück haben, haben wir mit dem verdienten Geld bis ans Ende unseres Lebens ausgesorgt. Aber warum sollte man sich auf Glück verlassen? Das Gegenteil von Zufall ist es, zu lernen, Gerechtigkeit zu erkennen und zu entwickeln. In einer gerechten Gesellschaft werden wir alle für unsere Teilnahme beschützt und belohnt für aufrichtige Bemühungen, die das Gemeinwohl verbessern. Die Fähigkeit, in Gesellschaften aller Größe, Vertrauen und Verlässlichkeit aufzubauen, ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit, die man in unserer Zeit erlernen kann.
Professor Wolfgang Nejdl
Was möchte ich im neuen Jahr lernen? Zum einen all das, was wir im Bereich der KI selbst an neuem Wissen finden werden, um darauf aufbauend wieder neues Wissen zu formulieren. Umfassendes Wissen ist die Voraussetzung für neues Wissen, und das wird es 2025 in vielen Bereichen der KI wieder geben – effizientere und bessere Algorithmen und mehr Wissen über die Grenzen der KI und wie diese Grenzen verschoben werden können. Auf der anderen Seite aber auch viel mehr darüber, wie KI zur Erkenntnisgewinnung in anderen Disziplinen eingesetzt werden kann. KI hat sich in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Grundlagenwissenschaft für verschiedenste Disziplinen entwickelt, was durch die jüngsten Nobelpreise für KI-Forscher noch einmal unterstrichen wurde. Ich erwarte in den nächsten Jahren unter anderem in der Medizin viele neue Erkenntnisse, die durch verbesserte KI-Methoden und die Verfügbarkeit immer größerer und vielfältigerer Daten gewonnen werden können und individuellere und damit wirksamere Therapien für viele Krankheiten ermöglichen.
Professorin Barbara Plank
2025 möchte ich mich intensiver mit der Interpretierbarkeit von KI-Modellen beschäftigen. Besonders spannend finde ich, wie menschliche Unsicherheiten und unterschiedliche Perspektiven in Modellentscheidungen einfließen können, um vertrauenswürdigere Systeme zu schaffen. Schließlich ist Sprache oft mehrdeutig und kontextabhängig, während Daten stets nur einen kleinen Ausschnitt der Realität und der Ausdrucksstärke menschlicher Sprache abbilden.
Ich wünsche allen ein erfolgreiches neues Jahr!
N.B. Diese Aussage wurde mit Unterstützung von KI verbessert, um den Ausdruck zu verfeinern und die Lesbarkeit zu optimieren.
Lesen Sie mehr zum Thema "Bildung"
Dieser Beitrag ist der erste Teil unserer Feiertagsserie. Es folgen in den nächsten Tagen weitere Artikel, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Perspektiven auf Lernerfahrungen teilen:
- Impact statt Statistik: Wissenschaft mit gesellschaftlichem Mehrwert – Lena Patterer
- KI kann Lernende unterstützen oder ihre Anstrengungen verhindern – Ulrike Cress
Im neuen Jahr blickt die Januar-Ausgabe von "Forschung & Lehre" auf das Schwerpunktthema "Bildung – quo vadis?": Die Autorinnen und Autoren diskutieren, was Bildung und Hochschulbildung heute bedeuten, wie es um das Bildungssystem in Deutschland bestellt ist und wie es sich weiterentwickeln könnte.
Die Beiträge:
- Peter-André Alt: Die Welt in Versionen entwerfen – Bildung an Universitäten – gestern und heute
- Kai Maaz: Am Anschlag und unter großem Anpassungsdruck – Konzeptionelle Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des Bildungssystems
- Im Gespräch mit Susanne Lin-Klitzing: Weichenstellung für die Zukunft – Herausforderungen und Chancen der gymnasialen Bildung
- Im Gespräch mit Tobias Schmohl: Verantwortungsvolles Lehren und Lernen – Ethik und Hochschulbildung im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz
- Im Gespräch mit Ludger Wößmann: 25 PISA-Punkte kosten rund 14 Billionen Euro – Deutschlands Bildungssystem aus volkswirtschaftlicher Sicht
- Infografik: In Zahlen – Bildung in Deutschland
Hier geht es zur aktuellen Ausgabe – Lesen lohnt sich!