Ärztin impft jungen Mann gegen Covid-19 mit einer Spritze in den Oberarm
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Corona-Pandemie
Wie schwer verläuft die nächste Corona-Welle?

Aktuell steigen die Corona-Fälle vor allem bei den 15- bis 34-Jährigen. Welche Annahmen erlaubt dies für die kommenden Wochen und Monate?

Von Gisela Gross 23.07.2021

Der derzeitige Anstieg der Corona-Inzidenz in Deutschland betrifft Senioren kaum, wohl aber die öfter noch ungeimpften jüngeren Menschen. Das Robert Koch-Institut (RKI) weist die höchsten Werte von 32 Fällen pro 100.000 Einwohner für vergangene Woche bei den 15- bis 24-Jährigen aus. Bei Kindern zeigen sich in RKI-Daten vergleichsweise geringe Anstiege, Experten hatten aber auch einen dämpfenden Einfluss der Sommerferien auf die Ansteckungen erwartet. Für die Intensivstationen mag der Trend hin zu jüngeren Infizierten erst einmal wie ein gutes Zeichen wirken, erneute Spitzenbelastungen ähnlich wie in vergangenen Corona-Wellen halten Fachleute aber je nach Entwicklung durchaus noch für möglich.

"Wir haben bei den bisherigen Wellen mit Sars-CoV-2 gesehen, dass die Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen nur zu einem sehr geringen Anteil schwere Verläufe entwickelt haben, die intensivmedizinisch versorgt werden mussten", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Professor Gernot Marx, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Das betraf weit unter ein Prozent der Infizierten. Zum Vergleich: Bei den Menschen über 60 sind es knapp 15 Prozent." Aber man könne noch nicht sagen, wie sich das mit der neuen Delta-Variante verhalte. Der Blick gehe in Länder wie Großbritannien und Spanien, die in der Entwicklung ein paar Wochen voraus seien.

Viele neu infizierte junge Erwachsene in Großbritannien

"Relativ gesehen, werden dank der Impfungen weniger Erkrankte mit der Delta-Variante einen schweren Verlauf nehmen – das sieht man schon in Großbritannien", sagte Marx. "Was wir allerdings immer dabei bedenken müssen: Wir haben viele, viele Millionen Menschen noch nicht oder noch nicht komplett geimpft. Wenn dann die Rate an Neuinfektionen um ein Vielfaches höher ist, kann die Zahl der Patienten absolut genauso hoch werden wie in der zweiten und dritten Welle." Welche Größenordnungen möglich sind, zeigt das Beispiel Großbritannien: Die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Menschen innerhalb einer Woche bei den jungen Erwachsen lag dort zuletzt knapp 1.155 – der höchste je festgestellte Wert seit Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr.

Dass je nach erreichter Impfquote und Verhalten der Bevölkerung erneut schlimmstenfalls in der Spitze über 6.000 Covid-19-Fälle gleichzeitig auf Intensivstationen landen könnten, zeigen auch Szenarien, die das RKI am Donnerstag für Herbst und Winter vorgelegt hat. Es mahnte an, jetzt vorbeugend zu handeln.

Ungenügender Impffortschritt

Auch der Berliner Virologe Professor Christian Drosten erklärte, dass es eine deutlich höhere Impfquote als aktuell brauche, um eine schwere Winterwelle zu vermeiden. Er sei "zunehmend besorgt" darüber, dass der Impffortschritt nicht schneller gehe. Viele Menschen wiegen sich nach seiner Einschätzung in falscher Sicherheit, weil die Inzidenzen gerade niedrig sind.

Die Fachwelt steht nun vor der Frage, wie viele Infizierte man zulassen kann, ohne dass die Krankenhäuser Probleme bekommen. Der Blick auf Inzidenzzahlen müsse sich mit zunehmender Impfquote ändern, so Drosten. "Es kommt im Moment zu einer fortschreitenden Entkopplung zwischen Inzidenz und Krankheitsschwere." Momentan sei die Lage auf den Intensivstationen unproblematisch, schildert Divi-Experte Marx. "Die allermeisten Patienten, die wir derzeit behandeln, liegen dort seit der dritten Welle." Nur Einzelfälle mit Covid-19 würden an den Standorten neu aufgenommen.

"Solange wir in Krankenhäusern keine Folgen sehen, ist das Ziel der Impfungen erreicht", sagte der Präsident der Gesellschaft für Virologie, Professor Ralf Bartenschlager, der dpa. "Das Virus wird ohnehin nicht mehr verschwinden, es wird jedes Jahr vor allem im Herbst und Winter wiederkommen und wer bis dahin nicht geimpft ist, wird sehr wahrscheinlich infiziert." Der Experte der Universität Heidelberg rief dazu auf, die Inzidenz über den Sommer niedrig zu halten, davon werde man dann im Winter profitieren.

dpa