Eine Person hält eine Weltkugel in der Hand
mauritius images/Nora Frei

Nachhaltigkeit
Wie wollen wir nach Corona leben – TUM veröffentlicht Sammelband

Die Corona-Pandemie beschreibt eine gesellschaftspolitische Zäsur. Bekannte Stimmen schreiben über die Zeit nach der Krise.

13.07.2020

Die "Emeriti of Excellence" der TU München haben eine mehr als 300-seitige Broschüre zur Zeit nach Corona veröffentlicht. "Wissenschaft muss – getragen von Vernunft und Nachhaltigkeit – Perspektiven schaffen und zu dieser Veränderung beitragen", schreiben Professor Michael Molls und Professor Jörg Ebersspächer, der Sprecher und Co-Sprecher der TUM Senior Excellence Faculty, in der Einleitung. Universitäten hätten die Verantwortung Paradigmenwechsel auszulösen.

Die Beiträge in "Change" sollten Impulse sein für "eine längst überfällige Transformation der Volkswirtschaften hin zu einer deutlich nachhaltigeren und inklusiven Entwicklung", schreiben die Autorinnen und Autoren mit Verweis auf eine Formulierung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. "Wenn wir aus der Krise lernen und uns der Neustart gelingt, könnten wir am Ende besser dastehen als vor der Krise."

"Nachhaltig ist Wissenschaft, wenn sie in der öffentlichen Kommunikation deutlich zu machen vermag, dass auch ihre Einsichten begrenzt sind." Professor Friedrich Wilhelm Graf

Die Beiträge untergliedern sich in neun thematische Kapitel. Dazu zählen Grundlagenforschung, Bildung & Arbeit, Politik & Gesellschaft, Gesundheit & Medizin, Technik, IT & Vernetzung sowie Ökonomie. Viele der Beiträge nehmen auch die Wissenschaft selbst in den Blick. Dazu zählen das Verhältnis zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, die Kommunikation von Wissenschaft sowie Herausforderungen für die universitäre Lehre. Friedrich Wilhelm Graf, emeritierter Professor für Systematische Theologie und Ethik an der LMU München, schreibt zum Beispiel nach dem berühmten Titel eines Vortrags von Max Weber über die "Wissenschaft als Beruf". Darin betont Graf, wie wichtig es sei, dass Wissenschaft Zeit für ihre Arbeit habe. "Sie bedarf der Reflexivität und Nachdenklichkeit".

Gerade mit Blick auf die Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 würden schnelle Patentrezepte gefragt. "Nachhaltig ist Wissenschaft nur dann, wenn sie dieser Versuchung zu wiederstehen und in der öffentlichen Kommunikation deutlich zu machen vermag, dass auch ihre Einsichten begrenzt sind und sie vieles (noch) nicht weiß", schreibt  Graf. "Wissenschaft bedarf eines Ethos der Selbstbegrenzung." Dazu gehörten auch die Kritik und die Bereitschaft zur Selbstkritik.

Nachhaltigkeit: In Krisenzeiten nicht zurückfallen

"Teilweise sehr kurzfristig erstellte Impulse der Politikberatung konnten die Diskussion in Politik und Gesellschaft zum Umgang mit der Coronakrise anregen", schreibt Dr. Marc-Denis Weitze, Wissenschaftler am Oskar-Miller Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation der TUM und Leiter Technikkommunikation von acatech. Lieferten Wissenschaftsverbünde in vergleichsweise kurzer Zeit Empfehlungen, dürften diese nur als "qualifizierte Meinungsäußerung" betrachtet werden.

Mit Blick auf Bildung und Arbeit schreiben die Autorinnen und Autoren, dass Nachhaltigkeit auch bedeute, in Krisensituationen nicht hinter das schon einmal erreichte Niveau zurückzufallen. "Wissenschaft und Universität müssen hier eine Vorbildfunktion übernehmen." In den vergangenen Wochen war immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden, dass gerade Frauen Nachteile durch die Doppelbelastung aus Kinderbetreuung und Arbeit Nachteile hätten und etwa weniger publizierten als vor der Corona-Pandemie.

Die Broschüre "Change" wurde von der TUM Senior Excellence Faculty gemeinsam mit dem TUM Institute for Advanced Study (IAS) und dem am IAS ansässigen "Institute für Earth System Preservation" sowie externer, nicht näher benannter Expertinnen und Experten, erstellt. Beteiligt waren Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft, Bildung, Wirtschaft, Medien und Politik. Die Broschüre ist innerhalb von nur elf Wochen entstanden und ist online frei verfügbar.

kas