Das Bild zeigt eine junge Frau mit Superheldenumhang.
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Frauen und Mädchen in der Wissenschaft
Forscherinnen und ihre Vorbilder

Zum Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft berichten Wissenschaftlerinnen von ihren Vorbildern. Wer ihnen den Weg geebnet hat.

Von Henrike Schwab 11.02.2025

Weibliche Vorbilder in männerdominierten Rollen sind nicht Ergebnis eines bereits liberalen Umfelds, sondern haben aktiv dazu beigetragen, das geschlechtsspezifische Rollenverständnis der Gesellschaft zu verändern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, die Alexandra Niessen-Ruenzi gemeinsam mit Mengqiao Du von der Universität Mannheim und Vidhi Chhaochharia von der University of Miami durchgeführt und im Dezember 2022 in „Forschung & Lehre“ vorgestellt hat. "Mit der Zeit könnte es also sein, dass Politikerinnen, Geschäftsfrauen und andere Frauen, die in bisher männerdominierten Rollen auf der ganzen Welt zu finden sind, zur neuen Normalität werden." Niessen-Ruenzi fühlte sich an die Worte der Astronautin Sally Ride in einem Interview mit dem Harvard Business Review aus dem Jahr 2012 erinnert: "Man kann nicht sein, was man nicht sehen kann."

Anlässlich des Internationalen Tags der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft befragte "Forschung & Lehre" Wissenschaftlerinnen nach ihren ganz persönlichen Role Models.

Judith Ackermann ist Forschungsprofessorin für Digitale Medien und Performance in der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Potsdam. Fabian Stürtz

Professorin Judith Ackermann

Für meine Entscheidung, Wissenschaftlerin zu werden, waren weniger konkrete Forschungsleistungen weiblicher Personen Vorbild, als dass ich während meines kompletten Studiums an der Universität Bonn am Beispiel meiner späteren Doktormutter, Professorin Caja Thimm, erlebten durfte, dass weibliche Personen Professuren haben, Studiengänge leiten, kompetitive Forschungsprojekte einwerben, in Wissensgesellschaften wichtige Positionen einnehmen, und das nie in Frage stellen musste. 

An meiner jetzigen Hochschule, der Fachhochschule Potsdam, erlebe ich zudem durch die Präsidentin, Professorin Eva Schmitt-Rodermund, täglich, dass auch Leitungspositionen im Hochschulsystem von weiblichen Personen erreicht und mit Bravour gemeistert werden können. Ich wünsche vielen zukünftige Forscherinnen solche Rollenvorbilder in ihrem Alltag.

 

Professorin Antje Flüchter

Dorothea von Erxleben (1715-1762) ist ein Beispiel dafür, wie gesellschaftliche Grenzen für Frauen nachträglich konstruiert werden: Sie gilt als die erste promovierte Medizinerin. Sie wurde von ihrem Vater, einem Arzt, unterrichtet. Als Pfarrfrau war sie die Anlaufstelle im Krankheitsfall. Erst als konkurrierende Ärzte sie als Kurpfuscherin anzeigten, entschloss sie sich, ein Studium nachzuholen. Sie promovierte mit königlicher Erlaubnis 1755 in Halle. Damit ist sie aber weniger die erste als für lange Zeit eine der letzten Frauen in der Medizin: Krankheiten wurden lange in der Familie oder in der Gemeinschaft vor allem durch Frauen behandelt. Sie verfügten über Erfahrungswissen, es gab aber auch Zugang zu gelehrtem Wissen. Dieser Zugang verengte sich bereits mit der Entstehung der mittelalterlichen Universitäten (13. Jahrhundert) – Bildungseinrichtungen, an der Frauen nicht mehr zugelassen wurden: Die Professionalisierung der universitären Medizin bedeutete den Ausschluss der Frauen aus der Medizin.

Antje Flüchter ist Professorin für Frühe Neuzeit an der Universität Bielefeld. Philipp Ottendörfer

Dorothea von Erxlebens verstehe ich als Ermutigung, sich von den vielen Narrativen und Behauptungen über Frauen nicht beirren zu lassen: "Das gab es noch nie", "Das entspricht nicht deinem gesellschaftlichen oder gar natürlichen Platz", "Benimm dich wie eine Frau". Solche Behauptungen haben ihren historischen Platz, aber fast nie die beanspruchte historische Tiefe; sie mögen in der Gegenwart dominant sein, aber es gibt immer auch Gegenströmungen. Der Weg gegen den Strom ist nicht leicht, aber oft lohnt er sich.

Alexandra Niessen-Ruenzi ist Professorin für Corporate Governance an der Universität Mannheim. Anna Logue

Professorin Alexandra Niessen-Ruenzi

Professorin Ulrike Malmendier ist mir seit Beginn meiner eigenen wissenschaftlichen Karriere ein großes Vorbild, da sie es auf einzigartige Weise versteht, akademische Exzellenz mit persönlicher Nahbarkeit zu verbinden. Ihre Forschung ist nicht nur wissenschaftlich brillant, sondern auch gesellschaftlich hochrelevant, was sich auch in ihrem Einfluss auf die Politikberatung widerspiegelt. Besonders spannend finde ich ihre Untersuchungen zum Einfluss individueller Erfahrungen auf wirtschaftliche Entscheidungen, wie etwa die langfristigen Auswirkungen der Inflationserfahrungen auf das Verhalten von Investoren. Ihre Neugier und Kreativität bei der Entwicklung neuer Forschungsfragen haben mir vor Augen geführt, was im Kern die Freude an wissenschaftlichem Arbeiten ist.

Zudem bewundere ich ihre Fähigkeit, eine herausragende wissenschaftliche Karriere mit ihrer Rolle als Mutter von drei Kindern zu vereinen. Trotz ihres Erfolgs und ihrer hohen zeitlichen Belastung ist sie immer ansprechbar und hat mir auf meinem Karriereweg viele wertvolle Ratschläge gegeben.

Juniorprofessorin Carolin Schneider

Mein größtes Vorbild ist meine Mutter – nicht, weil sie selbst Wissenschaftlerin wäre, sondern weil sie mir beigebracht hat, Fragen zu stellen, nicht aufzugeben und mit Neugier auf die Welt zu schauen. Wissenschaft beginnt nicht im Labor, sondern in der Fähigkeit, das Offensichtliche zu hinterfragen. Sie hat mich gelehrt, dass Wissen kein Selbstzweck ist, sondern eine Verantwortung. 

In meiner Forschung begleiteten mich immer diese Prinzipien: Genauigkeit, aber auch Mut zur Kreativität und immer den Blick auf die gesamtgesellschaftliche Verantwortung. 

Carolin Schneider leitet die Arbeitsgruppe für Prävention und Genetik von metabolischen Erkrankungen der Leber an der Uniklinik der RWTH Aachen. Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste | Bettina Engel-Albustin 2022