Antisemitismus
Zahl der antisemitischen Vorfälle an NRW-Unis gestiegen
Die Zahl der antisemitischen Vorfälle an nordrhein-westfälischen Hochschulen hat deutlich zugenommen, berichtet die Deutsche Presseagentur. In einer Zwischenbilanz für das erste Halbjahr 2024 seien nach vorläufigen Angaben 65 Fälle dokumentiert worden, berichtet die "Rheinische Post" unter Berufung auf die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in NRW. Es handele sich dabei um Angriffe, Bedrohungen und verletzendes Verhalten, sagte der Antisemitismus-Forscher Andreas Stahl. Stahl leitet seit August die mit RIAS NRW verbundene zentrale Anlaufstelle für Betroffene von Antisemitismus an Hochschulen an der Universität Münster.
Im gesamten Vorjahr habe es nach einer ersten Auswertung 19 antisemitische Vorfälle an Hochschulen gegeben, die meisten davon nach dem Überfall der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023.
Im März hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Ergebnisse einer Schnellbefragung veröffentlicht. Demnach sind an deutschen Hochschulen antisemitische Haltungen mit acht Prozent nicht so stark verbreitet wie in der Bevölkerung Deutschlands (18 Prozent).
Antisemitismusforscher warnt Universitäten vor Verharmlosung
Nach Stahls Beobachtung blieb die Häufigkeit der antisemitischen Vorfälle im Umfeld von Universitäten auch in der zweiten Jahreshälfte 2024 auf erhöhtem Niveau. "Meine persönliche Einschätzung ist: Es gibt keine Entschärfung."
Zu den anti-israelischen Protestcamps in mehreren Universitätsstädten sagte Stahl: "Unis behaupten gern, da seien nur Aktivisten von außerhalb unterwegs. Das halte ich für eine falsche Darstellung: Da sind auf jeden Fall Studierende dabei." Der radikale Kern sei zwar nicht besonders groß, aber die Lage werde von einem Teil der Unis verharmlost, so Stahl. "Auch, indem israelfeindliche Aktionen als legitimer Protest bezeichnet werden."
Gemäß der repräsentativen Allensbach-Umfrage "Antisemitismus in der Gesamtgesellschaft von Nordrhein-Westfalen im Jahr 2024", welche im September veröffentlicht wurde, plädiert fast die Hälfte aller Befragten aus der NRW-Bevölkerung dafür, einen "Schlussstrich" unter den Holocaust zu ziehen. Je nach Fragestellung haben acht bis 24 Prozent der Befragten "gefestigte antisemitische Einstellungen", heißt es in den Umfrageergebnissen. Bildung habe bei allen Antisemitismusanzeichen einen schwachen vorurteilsmindernden Einfluss.
Um die Wirkungen des Hamas-Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023 auf Israel auf Einstellungen in der NRW-Bevölkerung abzuwarten, wurde die Umfrage erst im Frühjahr 2024 durchgeführt, berichtet "wdr.de". Eine der Handlungsempfehlungen aus der Studie ist der Ausbau spezifischer Bildungsangebote und institutionalisierter Fortbildungen an Bildungseinrichtungen.
cva/dpa