Die grafisch dargestellte schwarze Silouhette einer langhaarigen Frau am Laptop ist zu sehen, erfüllt mit mathematischen Kreidezeichen.
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Academic Freedom Index
Freiheit der Wissenschaft global ungleich verteilt

Für fast die Hälfte der Menschen ist Wissenschaftsfreiheit keine Realität. In einigen Ländern hat sich die Situation verbessert.

07.03.2024

Heute veröffentlichten Forschende der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und der Universität Göteborg den diesjährigen Index der Wissenschaftsfreiheit (Academic Freedom Index, AFI). Er erfasst rund 180 Länder und zeigt, dass Wissenschaftsfreiheit für fast die Hälfte der Weltbevölkerung (45 Prozent), also 3,6 Milliarden Menschen, keine Realität ist. 

Das ist eine ähnliche Situation wie vor exakt fünfzig Jahren. Auch in der sonstigen Index-Verteilung. Bei elf Prozent der Bevölkerung ist die Wissenschaftsfreiheit stark und bei weiteren acht Prozent etwas eingeschränkt. Lediglich 14 Prozent können auf absolute Wissenschaftsfreiheit bauen und weitere 21 Prozent einigermaßen. 

Negative Gesamtbilanz mit Verbesserungen in 56 Ländern 

Trotz negativer Gesamtbilanz hat sich die Wissenschaftsfreiheit in 56 Ländern verbessert und in etwas mehr 61 Ländern ein hohes Maß erreicht. In zehn Länder nahm die Wissenschaftsfreiheit im Jahr 2023 sogar anhaltend zu. Laut FAU "eine positive Entwicklung, die zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren eintrat." In 23 Ländern hat sich die Wissenschaftsfreiheit jedoch verschlechtert und in zehn davon sogar maßgeblich. Dazu gehören häufig Länder mit hoher Bevölkerung, wie Bangladesch, Indien, USA und die Türkei. 

Der Index der Wissenschaftsfreiheit ist das Ergebnis einer internationalen Kooperation mit mehr als 2.300 Länderexpertinnen und Länderexperten aus der ganzen Welt, koordiniert von Forschenden des V-Dem-Instituts der Universität Göteborg und des Instituts für Politische Wissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg. Er bietet Daten zur Wissenschaftsfreiheit weltweit für den Zeitraum von 1900 bis 2023 und besteht aus fünf Indikatoren

  1. Freiheit der Forschung und Lehre, 
  2. Freiheit des akademischen Austauschs und der Wissenschaftskommunikation, 
  3. akademische und kulturelle Ausdrucksfreiheit, 
  4. die institutionelle Autonomie 
  5. sowie Campus-Integrität. 

Der Index wird durch maßgeschneidertes, qualitätsgesichertes statistisches Modell, das systematisch eine Million Beobachtungspunkte zusammenführt, aggregiert. Finanziert wird der AFI seit 2021 für insgesamt fünf Jahre von der Volkswagen-Stiftung. 

Polarisierung führt meist zur Einschränkung von Wissenschaftsfreiheit 

Der diesjährige AFI-Bericht verdeutlicht, dass die Wissenschaftsfreiheit durch verschiedenen Faktoren beeinflusst werden kann, aber vor allem in Ländern mit starker gesellschaftliche und politischer Polarisierung gefährdet ist und zurückgeht. Das ist in Russland, Ungarn, Indien, El Salvador, Hongkong und Venezuela der Fall. Allerdings gab es Ausnahmen, denn in Brasilien, Montenegro, Nordmazedonien und Thailand nahm die Wissenschaftsfreiheit trotz Polarisierung zu. 

Das Verhältnis zwischen Wissenschaftsfreiheit und Polarisierung ist demnach komplex und noch nicht abschließend untersucht, schlussfolgern die Expertinnen und Experten des Index. Das rechtliche Rahmenwerk, die Wissenschaftspolitik sowie die Reaktionen von Universitäten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spielen laut ihnen wahrscheinlich eine wichtige Rolle im Umgang mit Polarisierung und ihren möglichen Auswirkungen auf Wissenschaft und Hochschulbildung. 

Top 3 der Wissenschaftsfreiheit: Tschechien, Estland, Belgien 

Deutschland zählt zusammen mit Schweden, Finnland, Italien, Spanien, Portugal, Costa Rica, Chile, Zypern, Barbados, Jamaica, Slowenien, Luxembourg, Honduras und Barbados zu den Ländern mit dem höchsten AFI. Den allerhöchsten hat Tschechien, gefolgt von Estland und Belgien. Besonderen Zuwachs verzeichnen die Seychellen, Gambia und Montenegro. Zu den Verlierern im oberen AFI-Segment zählen Österreich, die Niederlande, Großbritannien, Polen und die USA. 

Die Schlusslichter insgesamt beim AFI bilden Nordkorea, Eritrea, Myanmar und Belarus sowie Saudi-Arabien, China, Vereinigten Arabischen Emiraten und der Iran. Besonders abgenommen hat die Wissenschaftsfreiheit in Myanmar, Belarus, Nicaragua, Türkei und Afghanistan. Auch im Yemen, Russland, Bangladesch sowie Ungarn, Mali und die Philippinen ging der AFI stark zurück. In Usbekistan, Kasachstan und Fiji ist die Wissenschaftsfreiheit verhältnismäßig stark eingeschränkt, aber die Situation hat sich in diesen Länder im Vergleich zu den anderen sichtlich verbessert.

kfi