Zu sehen ist der Kopf der Albert-Magnus-Statue vor der Universität Köln.
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Universität zu Köln
Gastprofessorin Nancy Fraser ausgeladen

Die Uni Köln hat die Einladung der Philosophin im Rahmen der Albertus-Magnus-Gastprofessur widerrufen. Diese Entscheidung sorgte für Aufsehen.

11.04.2024

Cancel Culture oder nachvollziehbare Entscheidung? Die Universität zu Köln hat am 5. April bekannt gegeben, die Veranstaltungen zur diesjährigen Albertus-Magnus-Gastprofessur absagen zu müssen. Bedauerlicherweise sei erst im März aufgefallen, dass Professorin Nancy Fraser den offenen Brief "Philosophy for Palestine" vom 1. November 2023 unterzeichnet habe, in dem "das Existenzrecht Israels als 'ethno-suprematistischer Staat' seit seiner Gründung 1948 faktisch in Frage gestellt" werde. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 werde darin "in rechtfertigender Weise relativiert" und zum "akademischen und kulturellen Boykott israelischer Institutionen" aufgerufen. Diese Positionen seien mit denen der Uni Köln nicht vereinbar, zumal diese intensive Beziehungen zu israelischen Partnerinstitutionen unterhalte. Ein Austausch mit Nancy Fraser habe "keine neuen Erkenntnisse zum Sachstand und zu ihrer Position gegenüber Israel erbracht".

In einem Interview mit der taz von gestern erklärte Nancy Fraser, die selbst Jüdin ist, gecancelt worden zu sein: Das Vorgehen der Uni Köln sei "ein unverfrorener Angriff auf die akademische Freiheit (…), auf die Autonomie der Wissenschaftler, die mich als Gastprofessorin ausgewählt haben, und ein Angriff auf die Meinungsfreiheit insgesamt". Wie jeder Bürger habe sie das Recht zur politischen Meinungsäußerung. Die Inhalte des offenen Briefs würden zudem nicht zutreffend dargestellt, seine Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dadurch verleumdet. Fraser kritisiert, dass Kritiker der israelischen Staatspolitik in Deutschland reflexartig des Antisemitismus und der Leugnung des Existenzrechts Israels beschuldigt würden. Sie habe viel Unterstützung erfahren und sei dazu eingeladen worden, ihre Vorlesungen andernorts zu halten.

Eingriff in die Meinungsfreiheit?

Tatsächlich wird der Fall von zahlreichen Forschenden im In- und Ausland als gravierender Eingriff in die Meinungsfreiheit aufgefasst: Es handele sich um den Versuch, "Wissenschaftler:innen, die vermeintlich problematische Positionen vertreten, aus der Diskussion hierzulande auszuschließen, auch wenn sich, wie im Fall Nancy Frasers, weder ihre eigene Arbeit noch die geplanten Veranstaltungen überhaupt mit dem Konflikt in Israel und Palästina befassen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von inzwischen über hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter finden sich viele bekannte Namen.

Der Rektor der Uni Köln, Joybrato Mukherjee, betont hingegen, dass Auftritte von Nancy Fraser mit der Ausladung nicht grundsätzlich unterbunden werden sollen: "Es geht gar nicht darum, ob Frau Fraser auf Einladung einer Kollegin oder eines Kollegen grundsätzlich eine Vorlesung halten kann, auftreten kann an unserer Universität zu Köln und auch ihre Positionen deutlich machen kann." Es sei ausschließlich "eine Frage der Ehrung, und ob die Ehrung angemessen ist". Die Uni bereitet eine öffentliche Veranstaltung im Mai vor, auf der sie ihre Position darlegen und diskutieren lassen will.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Fall Fraser?

Kritik muss sich die Uni in jedem Fall zur Frage gefallen lassen, warum die Absage so kurzfristig erfolgte. Die Einladungen zu den für Mitte Mai geplanten Veranstaltungen waren bereits versandt, als im März ein Hinweis aus der Fakultät kam, berichtete die taz. Ein Gremium für die Besetzung der Gastprofessur gebe es derzeit noch nicht, sagte Mukherjee Table.Briefings. Der Fall hat grundsätzliche Diskussionen darüber ausgelöst, ob Meinungsäußerungen von Preisträgerinnen und Preisträgern im Vorfeld überprüft werden sollten und wann diese im Widerspruch zu den Grundsätzen freier Forschung und Lehre stehen. An Orientierung mangelt es derzeit noch, verwandte Fälle betrachtet aber etwa der jüngst erschienene professionsethische Leitfaden der Berliner Humboldt Universität (F&L berichtete).

Albertus-Magnus-Professur

Die Albertus-Magnus-Professur der Universität zu Köln wurde in Gedenken an den mittelalterlichen Universalgelehrten Albertus Magnus (1193 bis 1280) eingerichtet, der von 1248 bis 1254 in Köln am Generalstudium der Dominikaner lehrte und als einer der geistigen Väter der 1388 gegründeten Universität gilt.

In der Pressemitteilung der Uni vom 5. April 2024 heißt es: "Die Albertus-Magnus-Professur ist eine zentrale Angelegenheit des Rektors mit großer universitätsinterner und externer Symbolkraft. Mit ihr sind öffentliche Veranstaltungen und Seminare sowie der Eintrag ins Goldene Buch der Universität verbunden."

hes