Ein Kunstwerk mit zwei kahlen Köpfen aus Stein vor der Humboldt Universität in Berlin
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Machtmissbrauch
Nach Vorwürfen gegen Unidozent Vergleich vor Gericht

Seit Jahren soll sich ein Dozent der HU-Berlin Frauen gegenüber übergriffig verhalten haben. Mit dem Vergleich ist der Fall arbeitsrechtlich erledigt.

10.01.2024

Der Streit um die Kündigung eines Hochschuldozenten der Berliner Humboldt Universität nach Vorwürfen verbal sexualisierter Übergriffe ist beigelegt. Die Beteiligten hätten am Dienstag einen Vergleich geschlossen, teilte das Arbeitsgericht mit. Danach endet das Arbeitsverhältnis des Dozenten am 30. Juni 2024. Bis dahin erhält er weiter Geld, ist aber freigestellt, wie es hieß. 

Ausschlaggebend für diesen Schritt sei der Schutz der Studierenden und Mitarbeitenden gewesen, teilte die Hochschule mit. “Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Dozenten ist nicht zumutbar. Insbesondere wollten wir den Zeuginnen ersparen, vor Gericht aussagen zu müssen”, erklärte die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal. 

Die Hochschule hatte dem Mann nach mehr als 30 Jahren Beschäftigung im August 2023 außerordentlich gekündigt. Schon damals hatte sie eine weitere Beschäftigung als unzumutbar bezeichnet. Der Beschuldigte war seit Anfang August bis auf Weiteres freigestellt worden. 

Vorwürfe bezüglich sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch

Zuvor hatten Unbekannte in einem offenen Brief dem Dozenten sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch vorgeworfen. In dem Mitte Juli auf der linken Plattform “Indymedia” veröffentlichten Schreiben hieß es, der Beschuldigte missbrauche “seine Machtposition als Dozent und Vorgesetzter seit mehr als 20 Jahren”. Den Anschuldigungen zufolge ging es um Fälle körperlicher sowie sexualisierter Gewalt. Außerdem habe sich der Mann in Vorlesungen ”transfeindlich und rassistisch" geäußert. Der Dozent äußerte sich damals nicht zu den Vorwürfen. 

”transfeindlich und rassistisch"
Vorwürfe aus einem anonymen offenen Brief 

Nach Gerichtsangaben hatte die Humboldt-Universität dem Dozenten bereits in den Jahren 2007, 2010 und 2014 Abmahnungen wegen verbal sexualisierter Übergriffe erteilt. Im April 2023 habe es dann nach Schilderung der Hochschule ein Gespräch gegeben. Dabei habe der Mann die Anweisung erhalten, keine Gespräche mehr mit weiblichen Studierenden unter vier Augen zu führen. Eine Woche später soll der Dozent nach Hochschulangaben dagegen verstoßen haben. Dies habe zur Kündigung geführt. 

Dagegen wehrte sich der Dozent mit einer Klage. Im Verlauf des Rechtsstreits sprach die Hochschule dann eine weitere Kündigung aus. Mit dem nun geschlossenen Vergleich ist der Fall arbeitsrechtlich erledigt. Strafrechtlich ist dies zunächst auch der Fall. 

Die Polizei hatte von Amts wegen Ermittlungen gegen den Dozenten aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte die Ermittlungen wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung und Beleidigung nach eigenen Angaben mangels eines Anfangsverdachts am 24. August 2023 ein. Gegen diese Entscheidung gebe es bis heute keine Beschwerde, sagte ein Behördensprecher am Dienstag.

Gemischte Reaktionen und noch viel Aufarbeitungsarbeit

Laut einer Pressemitteilung des RefRat, der Studierendenvertretung der HU, sind die Studierenden zwar froh über die Kündigung, halten aber den gerichtlichen Vergleich für die Opfer der Gewalt für unzureichend: "Die fehlende Anerkennung ihrer Erlebnisse durch das Gericht und damit verbunden auch das Fehlen eines gerichtlich festgehaltenen Kündigungsgrundes halten wir für problematisch." Die Studierendenvertretung kündigt zudem an, dass sie in naher Zukunft die Ergebnisse einer HU-internen Umfrage zu diesem Thema veröffentlichen wird.

Das Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität positioniert sich auf seiner Website klar gegen sexualisierte Gewalt und Machtmissbraucht. Es weist darauf hin, dass am Institut mit seinen Studierenden, den Verwaltungsmitarbeitenden, den wissenschaftlichen Mitarbeitenden sowie den Professoren und Professorinnen zu Beginn des Wintersemesters eine Vollversammlung abgehalten wurde. Man habe sich darüber verständigt, wie zukünftige Übergriffe zu verhindern seien und einen fortlaufenden Gesprächskreis zum Thema etabliert.

Dieser Artikel wurde am 12.01. um 15:30 Uhr aktualisiert. Die Erstveröffentlichung war am 10.01. 

dpa