Auf einem Terminkalenderblatt ist "Darmspiegelung Krebsvorsorge" zu lesen.
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Weltkrebstag
Zahl der Krebserkrankungen steigt weltweit

Die Zahl der Krebsfälle weltweit wird nach einer neuen Prognose rasant steigen. Forschende arbeiten an passgenauen Diagnosen und Krebstherapien.

02.02.2024

Die Zahl der Krebserkrankungen steigt nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) weltweit. Die Agentur mit Sitz in Lyon in Frankreich gehört zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. 

2022 seien 20 Millionen neue Krebsdiagnosen gestellt worden (2019: 19,3 Millionen). Die Agentur betont, dass direkte Vergleiche der Jahreszahlen schwierig seien, weil die Methoden der Erhebung immer wieder aktualisiert werden. Die Anzahl der Krebsdiagnosen werde nach den Prognosen bis 2050 um 77 Prozent auf 35 Millionen pro Jahr zunehmen, berichtete die IARC am Donnerstag. Etwa jeder fünfte Mensch erkranke im Leben an Krebs. Einer von neun Männern und eine von zwölf Frauen sterbe daran. 

Agentur für Krebsforschung nennt Gründe für steigende Krebsdiagnosen

Verantwortlich für den erwarteten Anstieg seien unter anderem der Bevölkerungszuwachs und die Tatsache, dass Menschen immer länger leben, so die IARC. Dazu kämen erhöhte Risiken durch Veränderungen beim Lebensstil. Dabei spielten etwa Tabak- und Alkoholkonsum sowie Fettleibigkeit eine Rolle, ebenso Luftverschmutzung. 

Im Jahr 2022 starben nach Angaben der IARC 9,7 Millionen Menschen an Krebs. Die häufigsten Krebsarten seien Lungen-, Brust- und Darmkrebs gewesen. Bei Frauen ist Brustkrebs die verbreitetste Form, gefolgt von Lungen- und Darmkrebs. Bei Männern war Lungenkrebs die häufigste Form, gefolgt von Prostata- und Darmkrebs. Die IARC hat Daten aus 185 Ländern ausgewertet. 

Lungenkrebs wurde 2022 bei 2,5 Millionen Menschen diagnostiziert. Das waren 12,4 Prozent aller erfassten Krebsfälle. Eine Brustkrebsdiagnose erhielten 2,3 Millionen Frauen, was 11,6 Prozent aller Krebsfälle entspricht. Darmkrebs wurde bei 1,9 Millionen Menschen diagnostiziert (9,6 Prozent). Danach folgten in der Häufigkeit Prostata- und Magenkrebs. 

Weltkrebstag am 4. Februar

Am 4. Februar 2024 findet zum 24. Mal der Weltkrebstag statt. Er steht unter der Leitung der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (Union for International Cancer Control, UICC), unter der Beteiligung der Stiftung Deutsche Krebshilfe. Der Aktionstag zielt darauf ab, die Bevölkerung für die Krebsprävention und -früherkennung zu sensibilisieren und über die Entwicklung von Krebsdiagnosen und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. In diesem Jahr steht er, wie in den beiden Jahren zuvor, unter dem Motto “Close the care gap – Versorgungslücken schließen".

Quelle: Deutscher Bundestag

Die meisten Todesfälle laut IARC bei Lungenkrebs 

Lungenkrebs ist eine tückische Erkrankung, die wegen ihrer oft unspezifischen Symptome häufig erst spät erkannt wird. Eine erfolgreiche Behandlung wird daher meist erschwert oder sogar verhindert. Abhilfe könnte hier ein Programm zur Früherkennung von Lungenkrebs schaffen, das aktuell diskutiert wird. Das Programm würde sich an die besonders gefährdete Gruppe langjähriger Raucherinnen und Raucher richten und mithilfe der Niedrigdosis-Computertomografie durchgeführt werden. 

Bei vielen Krebserkrankungen ist die frühe Diagnose für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend, und gerade bei Lungenkrebs ist dies Studien zufolge der Fall. Daher wird aktuell im Gesundheitswesen eine Früherkennung von Lungenkrebs mithilfe der Niedrigdosis-Computertomografie vorbereitet. Mit einem solchen Programm zur Lungenkrebsfrüherkennung soll die Prognose von Patientinnen und Patienten verbessert werden, weil die Erkrankung in frühen, besser behandelbaren Stadien erkannt werden kann. 

"Von einer Teilnahme am Früherkennungsprogramm werden besonders diejenigen Patientinnen und Patienten profitieren, bei denen eine Diagnose in frühen, gut behandelbaren Stadien gestellt werden kann und deren körperliche Verfassung eine Krebsbehandlung zulassen würde", erklärt PD Dr. Anton Faron, Facharzt für Radiologe in der Radiologischen Allianz Hamburg und Mitarbeiter an der HANSE-Studie, die die Evidenz von Screening-Programmen zum Lungenkrebs untersucht. 

Lungenkrebs war auch für die meisten Krebs-Todesfälle verantwortlich: 1,8 Millionen. Das entspricht nach IARC-Angaben 18,7 Prozent aller Menschen, die 2022 an Krebs starben. 900.000 Menschen starben an Darmkrebs (9,3 Prozent) und 670.000 an Brustkrebs (6,9 Prozent). 

Die Zahl der Menschen, die fünf Jahre nach einer Krebsdiagnose noch lebten, lag 2022 laut IARC bei 53,5 Millionen. 2020 lag diese Zahl laut damaliger IARC-Mitteilung bei 50,6 Millionen – aber auch hier gilt: Die Agentur hält direkte Vergleiche wegen der ständigen Verbesserung der Erhebungsmethoden für schwierig. 

Darmkrebs: In einigen Ländern Europas vor allem Jüngere betroffen

In einigen Ländern der Europäischen Union (EU) und in Großbritannien steigen die Sterberaten bei Darmkrebs bei den 25- bis 49-Jährigen. Eine Ursache sei der höhere Anteil übergewichtiger junger Menschen, erläutert ein Forschungsteam um Carlo La Vecchia von der Universität Mailand im Fachjournal "Annals of Oncology". Weitere Faktoren seien ein erhöhter Alkoholkonsum und verminderte körperliche Aktivität. 

Darmkrebs in jüngerem Alter ist in der Regel aggressiver, die Überlebenschancen sind geringer als bei älteren Menschen, wie die Forschenden erläutern. Es sei zu überlegen, die Darmkrebsvorsorge auf jüngere Menschen, beginnend mit 45 Jahren, auszuweiten. In Deutschland können Frauen ab 55 und Männer ab 50 Jahren als gesetzlich Krankenversicherte eine Darmspiegelung in Anspruch nehmen. 

Der Kampf gegen Krebs ist bei Kindern insgesamt besonders schwierig. Oft fehlen passende Medikamente. Das Kinderkrebsregister zählt jährlich 2.000 Fälle von Krebsneuerkrankungen bei Minderjährigen. Zum Vergleich: 500.000 sind es bei Erwachsenen. Zwanzig Prozent der jungen Patientinnen und Patienten sterben an den bösartigen Wucherungen. Bei Rückfall von Gehirntumoren sind es sogar 90 Prozent. Hinzu kommt, dass sich die Tumore von Kindern und Jugendlichen in sehr viele Untergruppen aufteilen lassen. Manche Tumore haben aber Schwachstellen, an denen Ärzte ansetzen können.

Darmkrebs entsteht meist aus Wucherungen der Darmwand. Diese können bei einer Darmspiegelung entfernt werden, bevor sie sich möglicherweise zu Darmkrebs entwickeln. Etwa 55.000 Menschen erkranken nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums jedes Jahr an Darmkrebs, mehr als 20.000 sterben. 

Besonders stark steigt die Todesrate bei Darmkrebs im Altersbereich von 25 bis 49 Jahren nach der Prognose des Forschungsteams für 2024 verglichen mit dem Zeitraum 2015 bis 2019 in Großbritannien: um 26 Prozent bei Männern und fast 39 Prozent bei Frauen der Altersgruppe. Auch in Italien (plus 1,5 Prozent bei Männern und 2,6 Prozent bei Frauen), bei spanischen und polnischen Männern (plus 5,5 bzw. 5,9 Prozent) sowie bei 25- bis 49-jährigen Frauen in Deutschland (plus 7,2 Prozent) werde ein Anstieg zu verzeichnen sein. Die absoluten Zahlen sind bei jungen Menschen dabei jeweils noch vergleichsweise gering. 

Altersstandardisierte Krebstodesraten sinken bei vielen Krebsarten 

Die Steigerungsraten bei jungen Menschen in einigen Ländern seien besorgniserregend, so La Vecchia – gerade auch, weil sich Diagnose und Behandlung von Darmkrebs verbessert hätten. Über alle Altersgruppen hinweg gerechnet sinkt die Todesrate bei Darmkrebs unter Berücksichtigung der Altersstruktur der Bevölkerung dagegen: in Deutschland verglichen mit 2019 bei Männern um 11,55 Prozent, bei Frauen um 7,99 Prozent. 

Auch EU-weit sinken die altersstandardisierten Todesraten bei Krebs dem Team um La Vecchia zufolge weiter: über alle berücksichtigten Krebsarten gemittelt bei Männern um 6,5 Prozent von 132 auf 123 pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu 2018, bei Frauen um 4,3 Prozent von 82,5 auf 79 pro 100.000 Einwohner. Bei der altersstandardisierten Rate wird die Altersverteilung der Bevölkerung in der Berechnung als Faktor berücksichtigt. 

Die tatsächliche Zahl der Krebstodesfälle nimmt wegen der zunehmenden Zahl älterer Menschen hingegen zu: bei Männern in der EU von rund 675.000 im Jahr 2018 auf über 705.000 im Jahr 2024 und bei Frauen von etwa 535.000 auf über 566.000. Der Prognose zufolge werden in diesem Jahr also etwa 1,27 Millionen Menschen in der EU an Krebs sterben. La Vecchia hält mehr politische Maßnahmen unter anderem zur Förderung körperlicher Aktivität und zur Verminderung des Alkoholkonsums für nötig. 

Die von den Studienautoren verwendeten Daten stammen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie berücksichtigten die Angaben seit 1970 bis zu den neuesten verfügbaren Daten (zwischen 2017 und 2021). Das Team veröffentlicht solche Prognosen bereits im 14. Jahr in Folge. 

Deutschland in Europa vorn bei Patentanmeldungen gegen Krebs 

Deutschland ist einer Studie zufolge in Europa führend bei den Patentanmeldungen für Innovationen im Kampf gegen Krebs. Auf die Bundesrepublik entfallen mit Topanmeldern wie Bayer und Siemens fast ein Viertel (23 Prozent) der in Europa ansässigen Patentanmelder und mehr als 9 000 internationale Patentfamilien auf diesem Gebiet zwischen 2002 und 2021, zeigt ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht des Europäischen Patentamts. Deutschland habe seine europäische Spitzenposition über die vergangenen 20 Jahre trotz leicht sinkender Zahlen gehalten, schrieben die Autoren anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar. 

Weltweit belegt Deutschland den vierten Platz mit 9.375 internationalen Patentfamilien in dem Zeitraum – nach den USA, Japan und China. Eine Patentfamilie steht für eine Gruppe von Patentanmeldungen, die denselben oder ähnlichen technischen Inhalt betreffen. 

Dem Bericht des Patentamts zufolge sind die USA bei Innovationen zu Krebs weltweit führend: Rund 46 Prozent aller zwischen 2002 und 2021 dazu zum Patent angemeldeten Erfindungen entfallen auf amerikanische Firmen. In Europa liegt das Vereinigte Königreich auf dem zweiten Platz hinter Deutschland und vor Frankreich und der Schweiz. 

Halbzeitbilanz der Nationalen Dekade gegen Krebs 

Im Vorfeld des diesjährigen Weltkrebstages am 4. Februar hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 2.2. im Rahmen des Zukunftsforums "Future X Change" gemeinsam mit seinen Partnern Halbzeitbilanz bei der Nationalen Dekade gegen Krebs gezogen. 

Dazu erklärt Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger: "Vor fünf Jahren haben wir die Nationale Dekade gegen Krebs ins Leben gerufen, um die Krebsforschung zu stärken und sie zielgerichtet voranzutreiben. Das Ziel: Zum Ende der Dekade soll die Krankheit bei drei von vier Krebspatienten geheilt oder langfristig beherrschbar sein. Unsere Halbzeitbilanz macht Mut. Das Bundesforschungsministerium hat seit dem Dekadenstart unter anderem elf neue große Förderrichtlinien aufgesetzt und mit über 150 Millionen Euro Forschungsprojekte gefördert, um passgenauere Krebstherapien zu schaffen, rechtzeitige und treffsichere Diagnostikverfahren zu entwickeln und die Krebsprävention zu verbessern." 

Strahlentherapie bringt neue Erkenntnisse zur Krebsbehandlung

Manche Krebspatientinnen und -patienten entwickeln im Laufe einer Strahlentherapie eine starke Hautentzündung. Welche Faktoren das Risiko dafür erhöhen, war bislang erst in Ansätzen bekannt. Eine Pilotstudie der Universität Augsburg, der Technischen Universität München (TUM) und vom Helmholtz Zentrum München deutet nun auf eine wichtige Rolle der Hautbakterien hin: Brustkrebs-Patientinnen, bei denen diese sogenannte Hautflora gravierend gestört war, bekamen im Laufe der Bestrahlung stets eine schwere Dermatitis. Die Ergebnisse lassen auf einen Test hoffen, mit dem sich Risikogruppen frühzeitig identifizieren lassen. Sie erscheinen in der renommierten Fachzeitschrift JAMA Oncology. 

In Dresden erproben Forschende ein neues Verfahren der Strahlentherapie für Krebspatientinnen und Krebspatienten – "Forschung & Lehre" berichtete. Bei diesem neuen Verfahren wird ein Ganzkörper-MRT zur Echtzeit-Bildgebung mit einer Anlage zur Protonentherapie verbunden. Kürzlich wurde der wissenschaftliche Prototyp im Nationalen Zentrums für Strahlenforschung in der Onkologie (OncoRay) eingeweiht. Laut OncoRay ist es das weltweit erste Gerät dieser Art.

dpa/cva