Auf einer bunten Wand steht in bunten Buchstaben "Welcome"
Belinda Fewings/unsplash

Internationalisierung von Wissenschaft
Willkommenskultur an Hochschulen verbessern

Im Bundestag wurde ein Antrag verabschiedet. Er liefert Vorschläge zur Optimierung der Bedingungen für internationale Studierende.

Von Katharina Finke 21.03.2024

Im Bundestag wurde der Antrag zur Internationalisierung von Wissenschaft von regierungstragenden Fraktionen verabschiedet. Dabei geht es nicht nur darum, den Spagat der Wissenschaftsfreiheit zwischen dem Ausbau der strategischen Zusammenarbeit mit Partnerländern und dem Schutz vor feindlichen Angriffen zu schaffen. 

Laut Kai Gehring, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik, seien auch "die internationale Mobilität von Studierenden und Forschenden zu erleichtern, unbürokratischere Verfahren in den Auslandvertretungen, clevere Kooperationsvereinbarungen und der Ausbau von Willkommensinfrastrukturen an unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen" entscheidende Stellschrauben dabei. Forschung & Lehre berichtete zuvor. 

HRK begrüßt die Initiative für internationale Studierende 

Das Vorhaben begrüßt auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Sie sieht es als eine "gemeinsame Aufgabe von Hochschulen, lokalen Akteur:innen und Politik, die Rahmenbedingungen für internationale Studierende und Forschende an deutschen Hochschulen kontinuierlich zu verbessern." Hier käme es, so HRK, auf eine ausreichende Sprachkompetenz, sowie auch die fachliche und soziale Integration in den deutschen Studienalltag an. 

Das sieht auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ähnlich. Laut ihm sind gutes Ankommen und Erwartungsmanagement von grundlegender Bedeutung für internationale Studierende an deutschen Hochschulen. Dabei geht es – so DAAD gegenüber "Forschung & Lehre" – "um Fragen zur sozialen Integration am Campus, zur Organisation ihres Studiums und den Unterstützungsangeboten der Hochschule." 

Die HRK fordert daher: 

  • eine Flexibilisierung des Hochschulzugangs in allen Bundesländern, 
  • eine weitere Diversifizierung der fachlichen und sprachlichen Studienvorbereitung internationaler Studienbewerberinnen ohne direkten Hochschulzugang und einen Ausbau von Studienvorbereitungsprogrammen an Studienkollegs und 
  • eine Anpassung des rechtlichen und regulatorischen Rahmens an die wachsende Zahl von digitalen oder hybriden Studienformaten, insbesondere hinsichtlich der Immatrikulation und sozialen Absicherung bei untersemestrigen und unterbrochenen Studienaufenthalten an einer deutschen Hochschule. 
  • eine erhöhte Wertschätzung von Sprachkompetenz als Erfolgsfaktor insbesondere im Studium. Deswegen einen Ausbau der regulären studienbegleitenden Sprachförderung. 

Zu wenig Personal für notwendige Beratung 

Bei dem im Bundestag verabschiedeten Antrag spielt auch die Willkommenskultur eine wichtige Rolle für internationale Studierende an deutschen Hochschulen. Dem stimmen HRK und DAAD ebenfalls zu. 

Laut DAAD sind eine umfassende Beratung zu Hochschulstrukturen, zur Studienorientierung, sowie zur Studien- und Selbstorganisation dafür ebenso notwendig, wie Unterstützungsangebote zu Finanzierungs- oder Wohnfragen. Besonders wichtig sei die Einbeziehung von inländischen Studierenden, um den interkulturellen Austausch zu fördern und soziale Bindungen zu stärken. "Denn der Aufbau von Freundschaften und Netzwerken trägt maßgeblich zur Studienmotivation und Bindung an Deutschland bei", so der DAAD. 

"Denn der Aufbau von Freundschaften und Netzwerken trägt maßgeblich zur Studienmotivation und Bindung an Deutschland bei."
Deutscher Akademischer Austauschdienst

"Ein systematischer Auf- und Ausbau der vorhandenen institutionellen Willkommensinfrastrukturen wäre sehr zu begrüßen", so die HRK. Derzeit könnten laut ihm die Hochschulen eine Vielzahl der Unterstützungs- und Begleitmaßnahmen allein auf Projektbasis vorhalten, finanziert durch extern eingeworbene Drittmittel. 

Wichtige unterstützende Einheiten an den Hochschulen, etwa "Welcome Center" und "Career Services", leiden vielfach unter hoher Personalfluktuation und fehlenden Ressourcen. Daher sei es wichtig, sie in Zukunft finanziell zu unterstützen und seitens der Politik in Bund und Ländern deutlich zu verstärken. "Ein offener und internationaler Campus und die internationale Mobilität von Lehrenden und Lernenden sind essenzielle Grundlagen für qualitätsvolles Lehren, Lernen und Forschen", so die HRK. 

Hochschulen nicht allein verantwortlich für Willkommenskultur  

Wichtig ist aus HRK-Sicht auch zu betonen, dass eine Willkommenskultur vor Ort an den einzelnen Hochschulstandorten nicht in die alleinige Verantwortung der Hochschulen fällt. "Nur im Schulterschluss aller Hochschulmitglieder sowie des lokalen und regionalen Umfelds der Hochschulen kann die Bewältigung dieser Aufgabe zum Wohle der einzelnen Studierenden wie auch zum Wohle der Hochschulen und der Gesellschaft gelingen." 

Das deckt sich mit der Einschätzung des Antrages, in dem formuliert wird: "Länder und Kommunen sollen sich für eine Willkommenskultur für internationale Forschende und Studierende auch jenseits des Campus einsetzen. Das umfasse unter anderem ertüchtigte und digitalisierte Bürgerämter und Ausländerbehörden sowie mehrsprachig angebotene Amtsdokumente." 

"Dies ist sehr unterstützenswert, an diesen Themen zu arbeiten und das würde auch unsere Arbeit sehr voranbringen", sagt Dr. Stefan Petri, der Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologischen Beratung der Freien Universität Berlin gegenüber "Forschung & Lehre". Auch er hält eine bessere Zusammenarbeit mit Bürgerämtern und Ausländerbehörden für notwendig. 

Außerdem findet er die Bewertungskriterien für ausländische Schulabschlüsse durch die Kultusministerkonferenz, die in einigen Bundesländern als einziges Bewertungskriterium gelten, intransparent. Petri fordert ein gesellschaftliches Verständnis für den Wert internationaler Studierender. "Das aktuelle politische Klima in Deutschland wirkt weltweit nicht sehr einladend", sagt er. Zudem sollte es, so Petri weiter, finanzielle Unterstützung für Maßnahmen für die Startphase geben. 

Bezahlbarer Wohnraum und gut aufgestellte Ausländerbehörden 

Darüber würde sich auch die Goethe-Universität in Frankfurt am Main freuen, aber sie identifiziert auch noch ein ganz anderes Kernproblem für internationale Studierende in Deutschland: "Es hilft die beste Willkommenskultur nichts, wenn Studierende keine Unterkunft unterhalb von 600 Euro im Monat finden." 

"Es hilft die beste Willkommenskultur nichts, wenn Studierende keine Unterkunft unterhalb von 600 Euro im Monat finden."
 Goethe-Universität in Frankfurt am Main

"Wenn Internationalisierung ein politisches Ziel ist und wir die Zahl internationaler Studierender steigern wollen, muss es auch mehr Unterstützung der Regierungen für bezahlbaren Wohnraum für Studierende geben", fordert die Uni Frankfurt. Die Ausländerbehörden erteilen Aufenthaltsgenehmigungen, sofern eine monatliche Finanzierung in Höhe von 900 Euro (entsprechend dem BAFöG-Höchstsatz) sichergestellt ist. "Damit kommt in Frankfurt aber kein Student aus", so die Hochschule. Nur ein Bruchteil der auf dem Wohnungsmarkt oft benachteiligten Studierenden bekommt einen Wohnheimplatz. 

Laut der Universität Frankfurt haben deutsche Hochschulen bereits umfassende Willkommensinfrastrukturen geschaffen. Problematisch seien eher Digitalisierung und mehrsprachige Dokumente. Denn einiges davon ist immer aus den unterschiedlichsten Gründen nicht ohne erheblichem Aufwand rechtssicher umsetzbar. Deshalb gelingen hier immer nur Teilerfolge, die vielen Beteiligten eher mehr als weniger Arbeit bereiten.

"Willkommensinfrastruktur" sei ein schönes Wort – so die Universität Frankfurt – "zur Lösung der allermeisten Probleme wäre eine ausreichend besetzte, funktionierende Ausländerbehörde, in der Menschen aus dem Ausland tatsächlich willkommen sind, der erste und allerwichtigste Schritt." Das gelte nicht nur für die Startphase, sondern auch die weiteren Etappen in der Wissenschaft. 

Hochschulexterne Programme und Initativen 

"Ziel muss es sein, internationale Studierende ohne Reibungsverluste so schnell und gut wie möglich ins Fachstudium zu bringen", so Petri von der FU Berlin. "Eine erfolgreiche Integration internationaler Talente ist für Deutschland, sowohl als Wissenschaftsstandort wie auch in Hinblick auf den immer stärker spürbaren Fachkräftemangel unverzichtbar", so der DAAD, der daher auch mit BMBF-Mitteln seine Fachkräfte-Initiative gestartet hat. 

"Eine erfolgreiche Integration internationaler Talente ist für Deutschland unverzichtbar."
Deutscher Akademischer Austauschdienst

Bis 2028 werden damit insgesamt 114 Projekte an deutschen Hochschulen gefördert, die Integration und Studienerfolg internationaler Studierender verbessern und ihren Übergang in den deutschen Arbeitsmarkt vereinfachen sollen. Außerdem gibt es das DAAD-Programm "Förderung internationaler Talente zur Integration in Studium und Arbeitsmarkt" (FIT). 

Doch nicht nur der DAAD übernimmt Verantwortung durch Programme, sondern auch kleinere Initativen, wie das Projekt "Meet2resepct", das erstmals Workshops anbietet, für Antisemitismus und Diskriminierung an Universitäten zu sensibilisieren. Zuvor war sie vor allem an Schulen in Berlin, Brandenburg und Berlin unterwegs gewesen. Die Workshops sollen Dozentinnen und Dozenten, sowie Lehramtsstudierende die historischen und politischen Hintergründe des Nahostkonflikts vermitteln. Dabei sollen muslimische und jüdische Religionsvertreterinnen und -vertreter gemeinsam Fachwissen rund um den Nahost-Konflikt vermitteln und Vorurteile entkräften. Ein Schwerpunkt liege laut dem Projekt auf Multiperspektivität und Medienkompetenz.