Eine Flagge der Volksrepublik China
picture alliance / Russian Look | Maksim Konstantinov

Wissenschaftspraxis
Herausforderungen in der Chinaforschung

Wer Wissen vermitteln will, benötigt Daten aus erster Hand. Im Fall von China ist der Zugang zu belastbaren Daten allerdings schwierig.

Von Katharina Finke 03.11.2023

Wie bei vielen Forschungsgebieten beschäftigen sich deutsche Hochschulen quer durch die verschiedensten Wissenschaften mit Fragestellungen hinsichtlich China. Die Sinologie mit sprach -und landeskundlicher Expertise und andere Disziplinen, wie beispielsweise Wirtschaft, Politik und Soziologie setzen China-Schwerpunkte in Forschung und Lehre. Doch ein großer Unterschied im Fall von China im Vergleich zu anderen Forschungsgebieten besteht im Zugang zu soliden Daten aus dem Land. 

"Als Nachwuchswissenschaftler im Bereich Sinologie wurde ich auf die Feldforschung in China zwar gut vorbereitet", erzählt Dr. Hannes Gohli wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für China Business and Economics an der Universität Würzburg, "trotzdem ist Forschungskooperation immer mit unvorhersehbaren Risiken verbunden."

Insbesondere in autoritären Ländern, wie der Volksrepublik China, wo die Gesetze nicht immer klar definiert sind. "Um die Risiken in der Forschung ausreichend evaluieren zu können und die Komplexität zu reduzieren, braucht es entsprechende Anlaufstellen", so Gohli. Deswegen hat er mit anderen Forschenden an der Universität Würzburg ein China-Kompetenzzentrum gegründet, dessen Geschäftsführer er ist. 

Kompetenzzentren helfen im Umgang mit China 

Würzburg ist nicht die einzige Universität mit einem China-Kompetenzzentrum, auch andere Hochschulen haben über die Jahre China-Zentren (mit unterschiedlichen Bezeichnungen) etabliert, die neben der wissenschaftlichen Befassung mit China auch praktische Fragen behandeln und China-Kompetenz aufbauen.

Einige Universitäten haben sich in im Verbund der Chinazentren an deutschen Hochschulen zusammengeschlossen. Mit dabei: TU Berlin, FH Dortmund, TU Dresden, RWTH Aachen HTWG Konstanz, Hochschule Bremen, HS Osnabrück, Universität Kiel, Tübingen, Paderborn, Marburg, Bayreuth und Würzburg. Dort bedeutet das konkret, dass Forschungspartnerinnen und -partner überprüft werden, auch mit Hilfe von Sicherheitstrackern. "Das Kompetenzzentrum ist keine Kontrollinstanz, wir beraten", so Gohli, "schlussendlich liegt die Entscheidung bei den einzelnen Forscherinnen und Forschern."

Ähnlich funktioniert es an der HTWG in Konstanz. "Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema Forschungssicherheit in der VR China und nehmen regelmäßig an Sensibilisierungsworkshops zum Thema teil", sagt Helena Obendiek, Co-Direktorin des China-Kompetenzzentrum an der Hochschule in Konstanz, das auch andere deutsche Hochschulen berät.

An der HTWG in Konstanz selbst findet derzeit keine Forschungszusammenarbeit mit einem chinesischen Partner statt. "Aber nicht weil wir diese grundsätzlich ablehnen," so Obendiek. Eine in der Vergangenheit angedachte Forschungskooperation mit einer chinesischen Partnerhochschule zum Thema Spracherkennung mittels KI wurde aufgrund ethischer Besorgnisse nicht weiterverfolgt. "Liegen aber keine ethischen oder sicherheitsrelevante Bedenken vor, begrüßt die Hochschule die Kooperation mit Partnerinstitution in der VR China", sagt Obendiek.  

Kreative Forschungsstrategien sind gefragt

Die Kompetenzzentren können hinsichtlich der China-Kompetenz helfen, aber am Ende müssen die Forschenden für sich einen Weg finden. "Ich stelle mir besonders die Frage, welche Forschungsthemen in China tabu beziehungsweise welche Themen ich mit geringst-möglichem Risiko weiterverfolgen kann", sagt Gohli von der Universität Würzburg.  Das sei nicht immer einfach, da sich die roten Linien ständig verändern und Interpretationssache seien.

"Insbesondere die Veränderung des Anti-Spionagegesetzes in der Volksrepublik macht uns Sorgen, denn nun ist nicht mehr klar definiert, welche Themen und Daten unter 'national interests' fallen", erklärt Gohli.  

Gleiches gelte auch für den Export von Daten, der nun viel schärfer geregelt sei. 

Forschende könnten in die Herausforderungen aber auch hereinwachsen. "Die Forscherinnen und Forscher verfügen über genügend Selbstreflexion und Sensibilität, ihre gewonnen Daten so zu analysieren und zu präsentieren, dass wissenschaftliche Seriosität gewährlistet ist", zeigt sich Professor Dr. Gunter Schubert Vorsitzender der Großchinastudien an der Universität Tübingen überzeugt.

"Da wir Chinesischkenntnisse haben, können wir auch Quellen selbst erschließen und sind nicht nur auf Dritte angewiesen." Dr. Sigrun Abels

Auch Dr. Sigrun Abels, Leiterin des China-Center an der TU Berlin meint: "Als geschulte Sinologinnen und Sinologen haben wir gelernt, mit welchen Kommunikationsmitteln man Informationen bekommt beziehungsweise dechiffriert."  

Das bedeute: Verklausuliertes zu entschlüsseln, um die Ecke zu formulieren, Vieles nur anzudeuten, abzuwarten und mit häufig kurzfristiger Informations-Bereitstellung umzugehen. 

"Da wir Chinesischkenntnisse haben, können wir auch Quellen selbst erschließen und sind nicht nur auf Dritte angewiesen", erklärt Dr. Abels von der TU-Berlin weiter. Sprache scheint bei der China-Forschung essentiell zu sein. Deswegen sollte sie laut der HRK noch stärker in den Blick genommen werden.

"Wir brauchen mehr Personal, die sich mit Exportkontrolle beschäftigt und auch mehr China-Kompetenzen an deutschen Hochschulen." Dr. Hannes Gohli

"Wir benötigen dringend sprachkompetente Fachkräfte und sollten entsprechende Sprachausbildungsangebote an unseren Hochschulen aus eigener Kraft weiter ausbauen", so die HRK-Pressestelle.

Das deckt sich mit der Einschätzung von Gohli von der Universität Würzburg: "Wir brauchen mehr Personal, das sich mit Exportkontrolle beschäftigt und auch mehr China-Kompetenzen an deutschen Hochschulen." Diese beiden Bereiche müssten laut ihm besser miteinander zusammenarbeiten. Auch die HRK pocht auf die Förderung interdisziplinärer Ansätze. Gohli erklärt den Zusammenhang: "Bei Sinologen fehlt (häufig) das Wissen zur Exportkontrolle; bei Export-Kontrolleuren die Sprach- und Kulturkenntnisse zu China."