Zwei Menschen betrachten eine technische Zeichnung.
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Willkommenskultur
Stifterverband fordert bessere Betreuung ausländischer Studierender

Laut einer Umfrage des Stifterverbands sind ausländische Studierende nicht optimal betreut. Die Verbleibsquote sei verbesserungswürdig.

11.04.2024

Der Stifterverband betont die Bedeutung einer besseren Betreuung insbesondere ausländischer MINT-Studierender für den Umgang mit dem Fachkräftemangel. Laut ihrer Umfrage würden sich rund 43 Prozent der internationalen Studierenden für Ingenieurwissenschaften entscheiden, im Gegensatz zu nur 24 Prozent der deutschen Studierenden. In den entsprechenden Berufsfeldern bestünde laut Verband hierzulande eine Arbeitskräftelücke in Höhe von knapp 290.000 Personen: Die sogenannte "MINT-Lücke". 

Obwohl Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eine hohe Verbleibsquote habe, blieben nur die Hälfte der internationalen Studierenden über zehn Jahre im Land. Die Hauptgründe für ihr Bleiben seien Mitstudierende, die Hochschule und eine gute Nachbarschaft. Die Zahl der deutschen Erstsemester ist laut Zahlen des "Centrum für Hochschulentwicklung" (CHE) weiter rückläufig: Im Wintersemester 2022/2023 lag sie bei knapp 305.000 Personen. Zugleich wurde im Wintersemester 2022/2023 mit rund 93.000 Erstsemestern ohne deutsche Staatsangehörigkeit ein neuer Rekord aufgestellt. Laut einer Schnellumfrage des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) Ende 2023 sind derzeit zwischen 380.000 und 390.000 internationale Studierende eingeschrieben. 

Studierende sollen besser integriert werden 

Der Stifterverband fordert deshalb in einem aktuellen Policy Paper, dass Hochschulen, Unternehmen und Politik ihre Strategien auf soziale Integration und Verbleib der internationalen Absolventen ausrichten. Ausgangspunkt dieses Policy Papers ist eine im Jahr 2022 durchgeführte Befragung von knapp 7.300 internationalen Studierenden aus rund 120 Ländern. 

Laut ihrer Studie würden 83 Prozent der Befragten das Erlernen der deutschen Sprache als wichtigsten Integrationsschritt ansehen, während fast 60 Prozent unzureichende Deutschkenntnisse als Integrationshindernis betrachten würden. Die Teilnahme an Veranstaltungen oder Aktivitäten, die von der jeweiligen Stadt, der Hochschule oder dem Arbeitsplatz organisiert würden, werde von 44 Prozent der Befragten als Weg der Integration genutzt. 

Um die Integration internationaler Studierender zu verbessern, müssten Sprachbarrieren abgebaut, soziale Netzwerke und Verbindungen in den Arbeitsmarkt geschaffen, eine verbesserte Informationsbereitstellung initiiert und bürokratische Hürden überwunden werden. Darüber hinaus bedürfe es individueller Unterstützung, insbesondere finanziell. 

Bessere Karrierechancen in anderen Ländern 

Die Abbruchquote während des Studiums sei bei internationalen Studierenden mit 41 Prozent höher als bei deutschen Studierenden mit 28 Prozent. Obwohl 45 Prozent der internationalen Studierenden in Deutschland blieben, würden mehr als die Hälfte das Land nach zehn Jahren verlassen. Studierende aus Indien verfügten mit 76 Prozent über die höchste Verbleibsquote unter allen internationalen Studierenden. 

Aus allen Befragten, die Deutschland verlassen hätten, hätten gut 32 Prozent keine Visumverlängerung erhalten und seien daher in ihre Heimatländer zurückgezogen. 28 Prozent seien unter anderem aus familiären Gründen zurückgekehrt. Als weitere Gründe für die Rückkehr in das Heimatland seien hohe Lebenshaltungskosten (14 Prozent), ein Studienabbruch beziehungsweise Studienabschluss (13 Prozent), Schwierigkeiten bei der Anpassung an das Leben in Deutschland (12 Prozent) sowie die Wahrnehmung geringer Karrierechancen in Deutschland (10 Prozent) angeführt worden. Bessere Karrieremöglichkeiten in anderen Ländern werden als häufiger Grund angegeben, warum man nach seinem Deutschlandaufenthalt in ein neues Land umzieht (27 Prozent). 

Nach zehn Jahren Verweildauer schienen die ehemaligen internationalen Studierenden stark in Deutschland integriert zu sein: 28 Prozent hätten die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und 32 Prozent der ehemaligen internationalen Studierenden ohne deutsche Staatsbürgerschaft hätten eine Aufenthaltsgenehmigung für Erwerbszwecke. 

Deutschland und MINT-Fächer sehr gut nachgefragt 

Nach den USA, die gemäß Policy Paper mit knapp 960.000 internationalen Studierenden mit großem Abstand klar führend seien, dem Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland mit rund 550.000 internationalen Studierenden und Australien mit knapp 370.000 gehöre Deutschland mit seinen knapp 368.000 Studierenden aus aller Welt zu den führenden vier Gastländern weltweit. Laut neuester Zahlen des DAAD ist Deutschland im WS 2023/24 sogar auf Platz 3 aufgestiegen. 

Im Wintersemester 2022 wählten 76 Prozent der internationalen Studierenden Deutschland als Studienort mit der höchsten Verbleibsquote unter allen internationalen Studierenden. Mehr als die Hälfte der internationalen Studierenden studierte MINT-Fächer, wobei 43 Prozent Ingenieurswissenschaften, und rund 12 Prozent Mathematik und Naturwissenschaften bevorzugten. 

Die hohe Nachfrage nach technischen Studiengängen bei internationalen Studierenden stehe im Kontrast zu deutschen Studierenden, die sich mit knapp 39 Prozent mehrheitlich vor allem für die Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entscheiden würden. 

Die Ergebnisse betonten die Bedeutung eines offenen gesellschaftlichen Klimas für die Integration und die Unterstützung internationaler Studierender. Kampagnen wie die Charta der Vielfalt und die Initiative #Zusammenland seien wichtige Signale dafür. 

HRK-Präsident betont Bedeutung der Weltoffenheit 

Auch HRK-Präsident Professor Walter Rosenthal bekräftigte in einem aktuellen Beitrag für das DSW-Journal des "Deutschen Studierendenwerks" seine Position, dass die Vorstellung, Herausforderungen einer global vernetzten Welt mit Abschottung und Ausgrenzung lösen zu können, an der Wirklichkeit vorbeiginge. Allein im Gesundheitswesen wie auch in vielen anderen Bereichen sei Deutschlands Bedarf an Personal so hoch, dass es auf Zuwanderung angewiesen sei. "Dazu brauchen wir in Deutschland ein Klima, welches Menschen motiviert, hier zu studieren, zu forschen und zu arbeiten. Dazu müssen sie sich willkommen fühlen und hier gut und sicher leben können", formuliert er als Konsequenz daraus. 

"Dazu brauchen wir in Deutschland ein Klima, welches Menschen motiviert, hier zu studieren, zu forschen und zu arbeiten."
HRK-Präsident Professor Walter Rosenthal 

Die HRK habe hierzu mit der langjährigen Kampagne "Weltoffene Hochschulen" klar Stellung bezogen. "Dagegen steht die vor allem von der extremen Rechten betriebene Veränderung des gesellschaftlichen Diskurses, mit der Wissenschaftsfeindlichkeit, die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit, Rassismus, Intoleranz und auf Ausgrenzung fußende Ideen und Feindbilder normalisiert, der Zusammenhalt in der Gesellschaft zerstört und das Vertrauen in die freiheitliche Demokratie untergraben werden soll", mahnt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. 

Rosenthal führte weiter aus, dass ein offener und internationaler Campus und die internationale Mobilität von Lehrenden und Lernenden essenzielle Grundlagen für qualitätsvolles Lehren, Lernen und Forschen seien. Daher begrüßten und unterstützten die HRK-Mitglieds-Hochschulen ausdrücklich, dass Menschen aus aller Welt und mit den unterschiedlichsten biografischen Hintergründen in Deutschland studierten, forschten, lehrten und arbeiteten.

cva