Komplettansicht des um 1600 im süddeutschen Raum entstandenen Flügelaltärchens: Im Zentrum ist der gekreuzigte Jesus abgebildet.
Martin von Wagner Museum/Universität Würzburg

Tag der Provenienzforschung
Forschende suchen nach rechtmäßigen Eigentümern

Am zweiten Mittwoch im April findet jährlich der internationale Tag der Provenienzforschung statt. Dabei informieren Forschende über ihre Arbeit.

13.04.2022

Der Tag der Provenienzforschung legt besonderes Augenmerk auf die internationale Tätigkeit der Provenienzforscherinnen und –forscher. Sie ermitteln oft in mühevollen Recherchen die rechtmäßigen Eigentümer oder Erben von Kulturgütern, die sich etwa Museen widerrechtlich angeeignet hatten. Dies kam beispielsweise während der NS-Diktatur vor, bei Enteignungen in der DDR oder durch den Raub von Objekten in der Kolonialzeit.

Auch in universitären Sammlungen und Museen finden Provenienzforschende immer wieder Raubgüter. Im Martin von Wagner Museum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg etwa hat eine Mitarbeiterin der Professur für Museologie, Nora Halfbrodt, Hinweise auf widerrechtlich angeeigneten Kunstbesitz gefunden, wie die Universität mitteilte: Ein Tragaltärchen, das wohl um 1600 in Süddeutschland entstanden sei. Inzwischen bestehe kein Zweifel daran, dass es sich bei dem unscheinbaren Objekt in der Gemäldegalerie um unrechtmäßig entzogenes jüdisches Eigentum handelt. Es sei während der NS-Zeit seinen Besitzern entwendet worden und 1939 in das Eigentum des Universitätsmuseums übergegangen.

2020 sei es gelungen, die rechtmäßigen Erben der Würzburger Familie Seligsberger, die größtenteils zu Opfern der Shoah wurde, zu ermitteln. 16 von ihnen leben verstreut in Kanada, den USA und Israel, berichtete die JMU. Die Universität habe ihnen zur Restitution drei verschiedene Vorschläge gemacht, was mit dem Altärchen passieren könne: es zurückzugeben, es abzukaufen oder es als Leihgabe im Museum zu belassen. Schließlich entschlossen sich die Nachfahren laut Mitteilung, dass das Werk als Dauerleihgabe an seinem jetzigen Ort bleiben darf.

Was die Provenienzforschung über die Eigentümer herausfand

"Mit dem Vertragsabschluss im Januar 2022 ist der kleinformatige Altar nicht mehr in unserem Besitz", erklärte Professor Damian Dombrowski, Direktor der Neueren Abteilung des Martin von Wagner Museums. Teil der Leihvereinbarung sei eine Schrifttafel, die im Museum über den Hintergrund des Kunstwerks aufklärt. Dadurch erinnere das Altärchen an die Seligsbergers, die als Inhaber einer der größten Kunst- und Antiquitätenhandlungen in Deutschland stolze und engagierte Bürger Würzburgs gewesen seien.

1937 mussten die Geschwister Ernestine und Sigmund Seligsberger demnach auf Anweisung der Reichskammer der Bildenden Künste ihr Geschäft aufgeben. Sigmund sei in die Niederlande emigriert und dann, wie seine Frau und sein Sohn, 1942 deportiert und umgebracht worden. Ein vormaliger Mitarbeiter habe das Geschäft übernommen und das Altärchen an das Martin von Wagner Museum verkauft.

Auch die weiteren Bestände des Universitätsmuseums sollen laut Mitteilung auf Restitutionsfälle überprüft werden. Dazu gehört die Darstellung eines Alchimisten, der möglicherweise der Würzburger Freimaurerloge entwendet wurde. Die Loge war unter den Nazis enteignet worden.

Der Tag der Provenienzforschung wurde 2019 vom Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. initiiert. Der in Deutschland ansässige Verein vernetzt Forschende, Expertinnen und Experten weltweit, die sich mit Provenienzforschung befassen. Der Verein sieht die Erforschung der Herkunft von Kulturgütern als grundlegenden Aspekt der Arbeit von Museen. Am Mittwoch findet der internationale Tag der Provenienzforschung zum vierten Mal mit zahlreichen Veranstaltungen in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, der Schweiz, den Vereinigten Staaten und Österreich statt.

cpy