Ein Mann arbeitet am Laptop
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Wissenschaftlicher Alltag
Forschungsdaten erfolgreich managen

Forschungsteams haben mit einer Vielzahl an Daten zu tun. Unsere Autoren erklären, wie sich deren Management in den Berufsalltag integrieren lässt.

Das Thema Forschungsdatenmanagement (FDM) hat in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erfahren. Hochschulen erlassen FDM-Policies und Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, die DFG entwickelt Leitlinien und Grundsätze zum Umgang mit Forschungsdaten, die nationalen Forschungsdateninfrastruktur-Initiativen (NFDI) erarbeiten fachspezifische Empfehlungen und Werkzeuge zur Gestaltung von disziplinabhängigen Standards für die Forschenden – und über all dem steht der Appell, die Nachnutzbarkeit der Forschungsdaten gemäß den FAIR-Prinzipien zu erhöhen.

Jede einzelne Leitlinie, jede Richtlinie und jeder Grundsatz ist ein wichtiger Baustein für ein nachhaltiges FDM. Jedoch bleibt eine zentrale Frage unbeantwortet: Wie lässt sich FDM im oft vollgepackten Forschungsalltag praktisch umsetzen? Wie gelingt der Einstieg und mit welchen Schritten sollten die Forschenden konkret beginnen?

An der Technischen Universität Dresden (TUD) berät die "Kontaktstelle Forschungsdaten" zu allen Fragen des FDM. In den letzten zwei Jahren wurde dieses Angebot von über 100 Forschungsgruppen in Anspruch genommen. Die Forscher und Forscherinnen kommen in die Beratung, weil sie FDM als festen Bestandteil in ihren Forschungsalltag integrieren wollen – aber gleichzeitig unschlüssig sind, wie sie diese Aufgabe konkret angehen sollen.

Dabei äußern viele Forschungsgruppen zunächst die Idee, die Herausforderungen des FDM durch den Einsatz von Technologien (zum Beispiel der Beschaffung von Hardware und Software) zu lösen. Der Einsatz von Technologien ist beim FDM allerdings der letzte Schritt. Der erste Schritt, und damit das Fundament des FDM, ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Arbeitsprozessen und Datenflüssen ("Welche Daten werden produziert und verwendet?") sowie das Definieren von personellen Verantwortlichkeiten ("Wer produziert Daten und wer verwendet diese Daten weiter?").

Im englischen Sprachraum wird dieser Aspekt des Datenmanagements als "Data Governance" bezeichnet. Data Governance schafft die Voraussetzungen dafür, dass Technologien wie Datenbanken und Repositorien ihr Potenzial vollumgänglich entfalten können. Bezogen auf FDM orientiert sich Data Governance u.a. an den folgenden Leitfragen:
Gibt es in der Forschungsgruppe eine einheitliche Vorstellung darüber, welche Daten in welcher Form und an welchem Ort abgelegt werden?
Gibt es in der Forschungsgruppe eine einheitliche Vorstellung darüber, wie Daten beschrieben werden sollen, damit sie auffindbar und nachnutzbar sind?
Gibt es in der Forschungsgruppe hinreichend definierte Verantwortlichkeiten, um diese einheitlichen Vorstellungen durchzusetzen?

Auf Basis der obigen Leitfragen kann den Forschungsgruppen ein systematischer Einstieg in das FDM angeboten werden. In der Beratungspraxis an der TUD kommt dafür das folgende Stufenmodell zum Einsatz:


  • Bewusstsein schaffen

Am Beginn des FDM-Beratungsprozesses macht sich die Forschungsgruppe die eigene Datensituation explizit bewusst. Als Methode kommt hierfür die Erstellung eines Datenflussdiagramms zum Einsatz: In welcher Phase des Projekts entstehen welche Daten? Wie sollen diese Daten verarbeitet werden? Wo werden die Daten abgelegt und wo werden sie weiterverarbeitet? Welche Personen sind dabei involviert?

  • Interne Regeln formulieren

Nachdem die Forschungsgruppe ein Bewusstsein für die eigene Datensituation entwickelt hat, werden Ideen und Vorschläge ausgearbeitet, wie das zukünftige Datenmanagement aussehen sollte. Die Diskussionen hierzu orientieren sich an zentralen Bausteinen des FDM: In welche Kategorien lassen sich die Daten einteilen (Ordnerstruktur)? Wie muss eine selbsterklärende Benennung der Dateien aussehen (Dateinamenskonvention)? Welche Informationen müssen verfügbar sein, damit die Daten nachvollziehbar sind – für einen selber, aber auch für andere Personen (Dokumentation)?

  • Regeln anwenden und evaluieren

Anschließend werden die zuvor definierten Regeln Schritt für Schritt in die täglichen Arbeitsroutinen der Forschungsgruppe integriert. Dazu werden die Regeln in einer Pilotstudie zunächst auf einen kleinen Teil der Daten angewandt. Ziel dieser Pilotstudie ist es, bestehende Unzulänglichkeiten so schnell und so früh wie möglich zu identifizieren und zu korrigieren.

  • Technologie ent­wickeln

Mit dem bisherigen Erkenntnisgewinn können die Anforderungen an unterstützende Technologien nun zuverlässig formuliert werden. Die Technologien werden gezielt eingesetzt, um die Forschenden bei wiederkehrenden Aufgaben zu unterstützen, zum Beispiel beim Vergeben von Schlagwörtern, dem Extrahieren von Metadaten oder dem Verschieben und Paketieren von Datensätzen. Zudem können Forschungsgruppen nun präziser einschätzen, welche personellen Ressourcen für den Aufbau, die Wartung und Weiterentwicklung der technischen Lösungen eingeplant und budgetiert werden müssen.

  • Technologie anwenden

Mit der Einführung der technologischen Lösung ist die initiale Phase des FDM abgeschlossen. Es beginnt nun die Phase der Verstetigung der beschlossenen Maßnahmen. In dieser Phase kommt der systematischen Wissensvermittlung der FDM-Regeln an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie Studierende eine große Bedeutung zu.
Systematik wichtig

In der Praxis zeigt sich, dass FDM vielen Forschern und Forscherinnen als ein komplexes, schwer zu fassendes Vorhaben erscheint. Nicht wenige scheuen daher eine systematische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es ist Aufgabe der FDM-Beratungsstellen an Hochschulen, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, den Forschern und Forscherinnen einen systematischen Einstieg in das FDM zu ermöglichen. Mit bereits einfachen Mitteln kann ein Prozess angestoßen werden, in dessen Verlauf die Forschungsgruppen das FDM Schritt für Schritt in ihren Forschungsalltag integrieren können.

Der Startpunkt dieses Prozesses ist die Bewusstmachung der Zusammenhänge und Abhängigkeiten innerhalb der eigenen Datenablage. Hinderlich hingegen ist eine frühe Fokussierung auf technologische Lösungen, da hierdurch der Blick auf das Fundament des FDM verstellt wird: die Klärung und Standardisierung von Arbeitsprozessen und Verantwortlichkeiten. Erst nachdem dieses Fundament gelegt ist, können die Anforderungen an unterstützende Technologien präzise formuliert, passgenaue technologische Lösungen gefunden und die Vorgaben von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Förderern nachhaltig und effizient umgesetzt werden.

Wie sind Ihre Erfahrungen?

Wie integrieren Sie das Management von Forschungsdaten in Ihren Berufsalltag? Was hilft Ihnen dabei und wie könnte das Forschungsdatenmanagement in Deutschland strukturell verbessert werden? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an kommentate(at)forschung-und-lehre.de.