symbolische Viren mit verschiedenen Oberflächenstrukturen
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Corona-Mutationen
Zweifel an Tödlichkeit von Virus-Variante

Die Corona-Variante B.1.1.7 dominiert inzwischen das Infektionsgeschehen. Wie gefährlich sie und weitere Varianten sind, zeigen aktuelle Studien.

13.04.2021

Die zunächst in Großbritannien entdeckte Corona-Variante B.1.1.7 ist aktuellen Studien zufolge ansteckender als die ursprüngliche Form, allerdings nicht tödlicher. Zu diesem Schluss kommen Forscherinnen und Forscher in zwei separaten Studien, die am Montag in den Fachmagazinen "The Lancet Infectious Diseases" und "The Lancet Public Health" veröffentlicht wurden. Zuvor hatte es Hinweise gegeben, die Variante B.1.1.7 sei nicht nur leichter übertragbar als die in Wuhan entdeckte Wildform des Virus, sondern könne auch zu einer höheren Sterblichkeit unter den Patienten führen.

In der ersten Studie untersuchten Forschende des University College London im November und Dezember 2020 mit PCR-Tests die Viruslast von rund 350 Infizierten, die in klinischer Behandlung waren, und werteten die in diesem Zeitraum aufgetretenen schweren Verläufe und Todesfälle aus. Bei Infizierten mit der Variante B.1.1.7 stellten sie eine höhere Viruslast fest. Der Anteil der Patienten, die schwer erkrankten oder an Covid-19 starben, war jedoch bei der Variante nicht erhöht.

Die Forschenden der anderen Studie werteten Symptome von rund 36.000 Covid-Patienten aus, die diese im Herbst 2020 über eine App des Gesundheitssystems meldeten. Mittels Gensequenzierung stellten sie zudem fest, an welcher Corona-Variante die Betroffenen erkrankt waren. Auch diese Studie stellte keine signifikanten Unterschiede bei der Schwere oder dem Verlauf der Erkrankung sowie bei nachweisbaren Langzeitwirkungen einer Infektion fest. Die Forscher wiesen jedoch für die Variante B.1.1.7 eine deutliche Erhöhung des R-Wertes nach, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Das spricht ebenfalls für eine erhöhte Übertragbarkeit der Variante.

Da die Studien beide im vergangenen Herbst in London und Südengland durchgeführt wurden, wo sich die Variante B.1.1.7 zu dieser Zeit rapide ausbreitete, hatten die Forschenden eine gute Vergleichbarkeit beider Varianten. Dennoch verweisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darauf, dass zusätzliche Studien nötig seien, um die Erkenntnisse weiter zu bestätigen.

Coronavirus passt sich an

Auch in Deutschland dominiert inzwischen die Variante B.1.1.7 das Infektionsgeschehen. Dass sich ein Virus im Verlauf der Pandemie verändert und damit auch seine Eigenschaften, ist nicht ungewöhnlich. Die Verbreitung von B.1.1.7 liegt laut Professor Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig daran, dass sie besser an menschliche Zellen binde. Mit steigender Zahl der Mutationen steigt aber auch die Sorge, dass sich das Virus so stark verändert, dass die verfügbaren Impfstoffe oder eine überstandene Infektion nicht mehr vor Ansteckung und Erkrankung schützen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befassen sich schon länger mit dem Thema. Dass sich Sars-CoV-2 grundsätzlich gut anpassen kann, leiten Expertinnen und Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Auftreten von Virusvarianten ab, die teilweise oder komplett resistent beispielsweise gegen neutralisierende Antikörper sind. Der in Südafrika zuerst nachgewiesene Typ B.1.351 könnte nach ihrer Einschätzung "eine Grundlage für die Entstehung sogenannter Immune-Escape-Varianten darstellen".

Solche Escape-Varianten (Deutsch: Flucht-Varianten) haben sich genetisch so verändert, dass sie von Antikörpern nicht mehr erkannt werden, die gegen das ursprüngliche Coronavirus gebildet wurden. "Tarnung" nennt Professor Cicin-Sain das. "Viren werden aber nicht vollständig unsichtbar", sagt er.

Wenn der sogenannte Selektionsdruck steige – etwa durch einen wachsenden Anteil an Geimpften in der Bevölkerung – hätten es die Viren zunehmend schwerer, erklärt Cicin-Sain. Nur die stärksten Varianten können sich dann noch durchsetzen. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich Mutanten ausbreiten, die vom Immunsystem nicht oder nicht gut erkannt werden. Die zweifache Impfdosis biete derzeit aber einen guten Schutz auch gegen bisher bekannte Corona-Mutanten, sagt der Forscher. Zumal der Anteil an Antikörpern im Blut nach einer Impfung in der Regel deutlich höher sei als nach einer Corona-Infektion.

Wie gut schützt eine Impfung vor Varianten?

Gesundheitsbehörden wie das RKI oder die Weltgesundheitsorganisation analysieren schon seit geraumer Zeit die Virustypen, um "besorgniserregende Varianten" gut im Blick zu behalten. Als solche gelten derzeit B.1.351 (aus Südafrika), P.1 (aus Brasilien) und die aus Großbritannien bekannte Mutante B.1.1.7. Zur Überwachung haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des RKI und weiterer Forschungseinrichtungen den "CovRadar" entwickelt. Die interaktive Plattform dient der molekularen Überwachung des Corona-Spike-Proteins, auf das die meisten Impfstoffe abzielen, und soll eine schnelle Interpretation und Reaktion auf Veränderungen ermöglichen.

Forscher des Leibniz-Instituts für Primatenforschung in Göttingen und des Universitätsklinikums Ulm haben herausgefunden, dass ein Antikörper, der für die Covid-19-Therapie eingesetzt wird, bei den Varianten B.1.351 und P.1 komplett wirkungslos gewesen sei. Stefan Pöhlmann und Markus Hoffmann vom Deutschen Primatenzentrum stufen die beiden daher als Escape-Varianten ein. Sie gehen derzeit davon aus, dass B.1.351 und P.1 immer noch durch die verfügbaren Impfstoffe gehemmt würden. "Allerdings ist der Impfschutz möglicherweise reduziert und von kürzerer Dauer." Wie lange der Impfschutz tatsächlich anhält, ist auch für die ursprüngliche Coronavirus-Variante noch unklar.

Dass Varianten entstehen, die nicht mehr durch jetzt verfügbare Impfstoffe gehemmt werden, ist den Forschern zufolge "ein extremes Szenario, aber nicht auszuschließen". Für diesen Fall können Expertinnen und Experten zufolge aber die aktuellen Impfstoffe binnen weniger Wochen so verändert werden, dass sie ebenfalls gegen Mutanten wirken. Weil sie dann als neuer Impfstoff gelten, müssten sie aber gleichermaßen zugelassen werden.

dpa/ckr