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Kommentar
Weggeduckt

Der Wissenschaftsrat fordert Verbesserungen des Peer-Review-Prozesses. Doch seine Kritikpunkte gehen am Kernproblem vorbei. Ein Kommentar.

Von Michael Hartmer Ausgabe 12/17

Kann man die von der Wissenschaft generierten Erfolge vom System Wissenschaft trennen? Wer den Krisensymptomen der Wissenschaft nachspürt, wird bald auf ihr Publikationswesen stoßen. Das Gesetz von "publish or perish" zwingt die Wissenschaften mit eiserner Hand in die Publikationsflut. Immer mehr Paper werden von immer weniger Personen wirklich gelesen. Einer davon ist (hoffentlich) der Gutachter. Das System zwingt dazu, einen guten Gedanken oder ein gutes Ergebnis auf mehrere Papiere aufzuteilen.

Es führt zu Berufungskommissionen, die Forschungsleist­ungen allein anhand von Indizes bewerten. Der schleichende Paradigmenwechsel heißt: Eine Publikation steht mehr im Dienst der Karriere als im Dienst des wissenschaftlichen Fortschritts. Und wenn Wissenschaftler mit Mumm mit einem unsinnigen Paper, das sinnentleert Fachbegriffe aneinanderreiht, einer Community, die diesen Unsinn bedenkenlos reviewt und zitiert hat, den Spiegel vorhält, dann führt diese Entdeckung zur kurzzeitigen Peinlichkeit, aber nicht einmal zu einem Stottern des Systems.

Mit solchen vorgreiflichen, systemkritischen Fragen befasst sich der Wissenschaftsrat nicht. Seine Empfehlungen heißen mehr und besser vorbereitete Gutachter. Wenn der Wurm im Apfel ist, hilft es wenig, den Apfel zu polieren.