Ein Kampfmittelräumer steht auf dem Strand von Wangerooge und sucht mit Hilfe einer Sonde nach alter Munition in der Nordsee.
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Umweltforschung
Alt-Munition in Nordsee birgt geringe Gefahr für Menschen

In der Nordsee liegt tonnenweise alte Munition aus Weltkriegszeiten. Forschende haben deren Auswirkungen auf Meeresbewohner und Menschen untersucht.

19.04.2023

Von den Munitionsresten aus Weltkriegszeiten in der Nordsee geht keine akute Gefahr für den Menschen aus. Das ist ein Ergebnis des europäischen Forschungsprojekts "North Sea Wrecks" unter Leitung des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven, das am Mittwoch vorgestellt wurde. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten in der deutschen, dänischen, niederländischen und belgischen Nordsee an 15 militärischen Wracks Sediment- und Wasserproben entnommen. Zudem wurden Miesmuscheln und Fische auf toxische Substanzen untersucht. Potenziell krebserregende Stoffe wie TNT seien in eher geringen Konzentrationen gefunden worden, sagte Projektkoordinator Dr. Sven Bergmann. Sie seien beim Verzehr für den Menschen unbedenklich.

Chemikalien aus Kriegsmunition stressen Muscheln und Fische

Eine Entwarnung wollte Bergmann trotzdem nicht geben: Denn für Muscheln und Fische bedeutete der permanente Austritt von Chemikalien aus korrodierender Alt-Munition Stress. Im Wrack des Kreuzers "Ariadne", der 1914 in einem Seegefecht bei Helgoland versenkt wurde, entdeckten die Forschenden zudem Fische mit auffällig vielen Tumoren, sagte Professor Edmund Maser, Toxikologe an der Universität Kiel. Langfristig könne daher die Biodiversität in der Nordsee leiden. "Man muss auf die schleichende Gefahr gucken", sagte Bergmann. Auch gehe von den rostenden Waffen eine mögliche Explosionsgefahr aus. Vereinzelt seien solche Fälle bereits vorgekommen.  

Nach offiziellen Schätzungen liegen allein in der deutschen Nordsee rund 1,3 Millionen Tonnen Munition aus den beiden Weltkriegen. Beim Bau von Offshore-Windparks und dem Ausbau von Kabeltrassen wurden 2017 rund zwei Tonnen Waffen, Minen, Granaten, Torpedos und Bomben entdeckt. Dieter Guldin vom Kampfmittelräumungs-Unternehmen Sea Terra sagte, dabei würden Windparks sogar in Gebieten geplant, die ausweislich keine Verklappungsfelder seien.

Nach Ostsee nun auch Forschung zu Munition in Nordsee

Untersuchungen in der Ostsee hatten bereits ergeben, dass aus der dort verklappten Munition toxische und krebserregende Stoffe wie TNT und seine Abbauprodukte ins Meer strömen. Die Bundesregierung stellt bis 2025 deshalb 100 Millionen Euro für die Munitionsbergung zur Verfügung, der Bau einer Bergungsplattform in der Ostsee ist geplant.

Mit dem EU-geförderten, im Jahr 2018 gestarteten "North Sea Wrecks"-Projekt, an dem auch das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut beteiligt war, nahmen Forschende erstmals auch die Nordsee unter die Lupe. Dabei standen die Wracks von Marineschiffen im Fokus, da diese leichter zu untersuchen seien als Felder mit verklappter Munition, sagte Bergmann. Allein in der deutschen Nordsee liegen mindestens 120 militärische Wracks, in denen sich auch Waffen und Munition befinden. Wie viele Verklappungsfelder mit Alt-Munition in der Nordsee zu finden sind, sei bisher nicht bekannt. Insgesamt befinde sich auf dem Nordseeboden aber viel mehr Kriegsgerät als in der Ostsee.

dpa