Eine Person im Dunkeln an einem Laptop
picture alliance/REUTERS | Kacper Pempel

Wissenschaftliche Fachzeitschriften
Betrüger kapern Online-Journal

Betrüger haben die Website einer Fachzeitschrift gehackt. Gegen Geld sollten Wissenschaftler ohne Begutachtungsverfahren publizieren können.

16.07.2020

Die wissenschaftliche Fachzeitschrift "Talent Development and Excellence" ist Ziel eines Hackerangriffs geworden. Die Täterinnen oder Täter verschafften sich laut Bericht der "FAZ" Zugriff auf die Seite und verschoben alle Artikel und das gesamte Archiv auf eine neue Seite, die sie unter ähnlichem Titel online stellten: "Journal of Talent Development and Excellence".

Die Betrügerinnen oder Betrüger haben laut Bericht auch die Adresse geändert, unter der die Zeitschrift in Forschungsdatenbanken gefunden werden kann. So gelangten Userinnen und User automatisch auf die gefälschte Website. Erkennbar ist diese daran, dass sie kein Impressum und keine ISSN-Nummer hat, anhand derer Veröffentlichungen normalerweise klar identifizierbar sind.

Forschende würden damit gelockt, dass sie gegen Geld ein Begutachtungsverfahren umgehen könnten. Für Verwirrung sorgen die Hacker damit, dass sie der Klon-Website einen Hinweis eingefügt haben, dass die Seite Ziel eines Hackerangriffs geworden sei.

"Es ist eine sehr betrübliche Zeit", sagte Professorin Wilma Vialle gegenüber Forschung & Lehre. Die Sozialwissenschaftlerin an der University of Wollongong Australia ist Redakteurin bei "Talent Development and Excellence". "Ich habe viele E-Mails von Autorinnen und Autoren erhalten, die dafür gezahlt haben, dass ihre Arbeit auf der gefälschten Seite erscheint. Jetzt steht die Legitimität ihrer veröffentlichten Arbeiten in Frage." Außerdem koste es sie sehr viel Zeit, die ursprüngliche Seite wieder herzustellen. "Wir arbeiten ehrenamtlich für die Zeitschrift und haben keine Fördermittel, die wir dafür einsetzen könnten, die Website neu programmieren zu lassen."

Cyberangriff: Hacker bislang unbekannt

Bislang wisse sie nicht, wer hinter dem Angriff stecke, sagte Vialle. Die Täterinnen oder Täter hätten die Domain ihrer Seite anonym in den USA registriert. Sie habe eine Unterlassungserklärung an die Kontaktadresse auf der gefälschten Website und das Unternehmen geschickt, das die Domain für die gefälschte Seite verkauft hat. Auch will die Wissenschaftlerin alle Datenbanken, auf denen das Double der Zeitschrift gelistet sei, informieren. Ihre Schreiben zur Unterlassung seien bislang unbeantwortet geblieben.

Die gefälschte Zeitschrift ist laut Dr. Anna Abalkina, Forscherin an der LMU-München, in der Datenbank "Scopus" für 2020 bereits mit 462 Artikeln vertreten, davon fast 90 von russischen Forscherinnen und Forschern. Das seien mehr Artikel als jemals zuvor seit 2009. Die meisten Autorinnen und Autoren können laut Abalkina mit russichen Universitäten in Verbindung gebracht werden, die im Land die meisten "predatory journals" herausbrächten und ein betrügerisches Geschäftsmodell verfolgten.

Wissenschaftliche Fachzeitschriften wurden in der Vergangenheit bereits wiederholt als Plattform für betrügerische Geschäfte genutzt. Vermeintlich seriöse Journals wurden dafür erfunden, um an den Einsendungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verdienen. Auch tausende Forschende aus Deutschland fielen auf die Masche herein. Ein Mitglied des Gremiums "Ombudman für die Wissenschaft" forderte daraufhin gegenüber Forschung & Lehre, sich besser mit den Titeln des eigenen Fachbereichs bekannt zu machen – um den aktuellen Betrugsfall zu erkennen, war darüber hinaus ein aufmerksamer Blick auf die Website des Journals gefragt.

aktualisiert: 16.07.2020, 12:45 Uhr, zuerst veröffentlicht: 15.07.2020, 20.00 Uhr

kas