Metin Tolan, Präsident der Uni Göttingen, und Te Herekiekie Herewini, Chef des Rückführungsprogramms von Neuseeland, gratulieren sich nach der Übergabe der Gebeine aus den Sammlungen der Universität an Aotearoa (Neuseeland).
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Koloniale Vergangenheit
Uni Göttingen gibt gestohlene Gebeine aus Kolonialzeit zurück

Forschende untersuchen die Herkunft menschlicher Überreste an der Universität Göttingen. Nun hat die Uni Gebeine an Neuseeland zurückgegeben.

02.06.2023

Die Universität Göttingen hat Gebeine von vermutlich 32 Menschen an Neuseeland zurückgegeben. Die menschlichen Überreste waren als koloniales Raubgut bisher Teil der wissenschaftlichen Sammlungen der Hochschule. Bei einer Zeremonie am Donnerstag in Göttingen bat Uni-Präsident Dr. Metin Tolan um Entschuldigung dafür, dass die Gebeine in der Kolonialzeit gestohlen wurden.

Tolan sprach von einer dunklen Geschichte der Wissenschaft und betonte, dass die Herkunft weiterer Schädel identifiziert werden müsse, um sie zurückzuführen. Forschung und Lehre mit menschlichen Überresten aus kolonialen Zusammenhängen sind an der Universität Göttingen bereits seit längerem verboten. Bei den 32 nun übergebenen Gebeinen handelt es sich um "skeletal remains" von Vorfahren der Māori und Moriori. Diese Menschen stammen aus Aotearoa (Neuseeland) beziehungsweise von Rēkohu, den Chathaminseln östlich der Nordinsel Neuseelands.

Die Vertreter Neuseelands sowie der zwei Volksgruppen zeigten sich dankbar. "Wir tragen eure Worte in unseren Herzen", sagte der neuseeländische Forscher Kiwa Hammond bei der formellen Übergabe. Diese folgte gemäß indigenen kulturellen Gebräuchen einer Zeremonie, die von einem Chor sowie Gesang der neuseeländischen Delegation begleitet wurde.

Es sei überfällig, dass die Überreste in ihre Heimat zurückkehren, sagte der Botschafter Neuseelands, Craig Hawke, der zudem auch die Freundschaft mit Deutschland betonte. Das Land arbeitet seit 2003 an der Rückführung gestohlener Gebeine. Laut dem Chef des Rückführungsprogramms, Te Herekiekie Herewini, seien inzwischen etwa 800 Schädel wieder in Neuseeland. Über 1.000 würden in Übersee vermutet.

Forschungsprojekt untersucht menschliche Überreste in Uni-Sammlungen

Die Rückgabe ist Teil des internationalen Forschungsprojektes "Sensible Provenienzen", das über 1.000 menschliche Überreste in den Sammlungen der Universität auf ihre koloniale Vergangenheit untersucht. Der Direktor des zuständigen Instituts für Anatomie und Embryologie, Dr. Christoph Viehbahn, betonte seine Dankbarkeit für das Forschungsprojekt. Er habe selbst erst lernen müssen, dass die Gebeine der Blumenbachschen Schädelsammlung und der anthropologischen Sammlung zu Unrecht in Göttingen seien.

Die meisten Gebeine in Göttingen stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurden von Forschenden aus ihren Herkunftsländern und teilweise heiligen Stätten für die Rassenforschung gestohlen. Über Handelsunternehmen gelangten sie in den Besitz der Hochschule. Die Universität Göttingen hat seit Beginn des Forschungsprojekts bereits Gebeine zurückgegeben, etwa an Hawaii.

Die Delegation aus Neuseeland wird in den kommenden Tagen auch noch in anderen deutschen Städten menschliche Überreste entgegennehmen, unter anderem in Hildesheim am Samstag.

dpa/ckr