Flaggen vor der europäischen Kommission
dpa

Forschungsförderung
ERC-Präsident Mauro Ferrari im Streit zurückgetreten

Der Präsident des Europäischen Forschungsrats verlässt nach nur drei Monaten sein Amt. Grund sind Umstimmigkeiten in der EU-Förderung.

09.04.2020

Der Präsident des Europäischen Forschungsrats (ERC), Mauro Ferrari, ist nach nur drei Monaten im Amt am Dienstag zurückgetreten. Eine Mitteilung des ERC von Mittwoch macht starke Unstimmigkeiten zwischen dem Verwaltungsorgan der Förderorganisation für EU-Spitzenforschung, dem "Scientific Council", und ihrem Präsidenten deutlich.

Ende März hat der Scientific Council demnach einstimmig dafür votiert, dass Ferrari von seinem Amt zurücktritt. Der renommierte Nanomediziner sprach im Anschluss von einem gewollten Rücktritt, weil der ERC eine von ihm geplante Förderinitiative nicht habe unterstützen wollen. Der ERC entgegnet in seiner Mitteilung, dass diese – wie auch zahlreiche andere Vorhaben Ferraris – nicht mit den Grundsätzen des ERC vereinbar gewesen sei. Dies habe zu dem Beschluss der Förderorganisation geführt, Ferrari zum Rücktritt aufzufordern.

"Während seiner Amtszeit zeigte Professor Ferrari einen völligen Mangel an Wertschätzung für die Grundsätze des ERC zur Förderung von Spitzenforschung und der besten Forscherinnen und Forscher Europas", machte der ERC seine Kritik deutlich. Obwohl Ferrari seine Unterstützung für die Leitlinien des ERC in öffentlichen Stellungnahmen betont habe, hätten seine Vorschläge dem entgegengestanden. "Er verstand den Kontext des ERC im Rahmen des EU-Forschungsrahmenprogramms 'Horizont 2020' nicht", macht der ERC seine Position klar.

Ärger über Förderung von Forschung zu Coronavirus

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Ferrari habe in vielen Treffen gefehlt, "erheblich" viel Zeit in den USA verbracht und die Mission des ERC dort nicht angemessen vertreten, so die Organisation. Stattdessen habe er einige Entscheidungen getroffen, ohne das Leitungsgremium des ERC einzubeziehen und seine Position genutzt, um eigene Interessen durchzubringen. Darüber hinaus sei er in viele externe Vorhaben eingebunden gewesen, sowohl wissenschaftliche als auch wirtschaftliche. Das habe nicht nur viel Zeit gefordert, sondern nach Eindruck des ERC auch sein Handeln beeinflusst.

Ferrari hat seinen Rücktritt laut Mitteilung damit begründet, dass der ERC ein Vorhaben von ihm nicht habe unterstützen wollen, das sich der Erforschung der Erkrankung "Covid-19" habe widmen sollen. Er sei "enttäuscht" von der EU-Behörde. Brüssel sei ein lähmender Politikbetrieb, der nicht seinen Idealen von internationaler Zusammenarbeit genüge. "Meine europäische Rolle war trotz des wohlklingenden Titels die eines Stadtrats", zitierte das "Handelsblatt" aus einem Offenen Brief von Ferrari.

Der ERC verteidigte seine Entscheidung für die Absage von Ferraris Vorhaben damit, keine spezifischen Forschungsthemen zu fördern, da dies der Idee des ERC widerspreche. Die Förderung solle unabhängig thematischer Vorgaben, exzellente Grundlagenforschung unterstützen. Es fließe jedoch eine Summe von rund 100 Millionen Euro in Forschungsprojekte zur Corona-Pandemie aus verschiedenen Disziplinen. Ferrari plane derweil laut Informationen der "Financial Times" nun eine internationale Forschungsinitiative zu "Covid-19" aus den USA.

Ein Kandidat oder eine Kandidatin für die Nachfolge von Ferrari steht laut Rückmeldung der Europäischen Kommission noch nicht fest. Die EU-Behörde wolle dafür möglichst bald einen Ausschuss zusammenstellen. Bis dahin übernehme einer der drei Vize-Präsidenten des ERC die Zuständigkeiten des ERC-Präsidenten.

aktualisiert: 9.4.20, 17:55 Uhr

kas