Tierversuche
Weniger Versuchstiere in Deutschland
Die Zahl der in der in wissenschaftlichen Versuchen eingesetzten Tiere in Deutschland ist um sieben Prozent gesunken. Mit 1,73 Millionen Wirbeltieren und Kopffüßern waren es im vergangenen Jahr 134.000 Tiere weniger als 2021, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gestern mitteilte. Die Zahl der Versuchstiere sank demnach das dritte Jahr in Folge. Doch die Zahl der Tiere, die zu Versuchszwecken verwendet wurde, stieg um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt wurden 2022 über 710.000 Tiere getötet, weil ihre Organe oder Gewebe für wissenschaftliche Zwecke verwendet, aber kein Versuch direkt an ihnen durchgeführt wurde. Zusammen mit den Versuchstieren wurden insgesamt rund 2,4 Millionen Tiere 2022 getötet. Das sind rund 2,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Laut BfR-Präsident Andreas Hensel würden in Deutschland immer weniger Tierversuche durchgeführt. "Eine der möglichen Ursachen ist, dass sich Ersatzmethoden und Reduktionsmaßnahmen allmählich durchsetzen", sagte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die meisten Tiere zu Versuchszwecken, nämlich über 90 Prozent, sind Nagetiere. Ähnlich ist es bei Versuchstieren: knapp 80 Prozent von ihnen sind laut der Statistik Mäuse und Ratten. Auch wenn es bei beiden weniger waren als im Vorjahr: 1,25 Millionen statt 1,34 Millionen Mäuse in 2021. Auch bei Katzen und Fischen ist die Zahl rückläufig. Bei Vögeln ist die Zahl mit rund zwei Prozent gleichgeblieben. Doch die Zahl von Affen und Halbhaffen sei auf über 2200 gestiegen. Sie würden vor allem für vorgeschriebene Prüfungen von Humanarzneimitteln eingesetzt, erläuterte das Institut gegenüber der dpa. Sie werden meist nur einmalig für Versuche eingesetzt, nur etwa zehn Prozent werden erneut eingesetzt. Auch Nagetiere werden vor allem erstmalig verwendet (98 Prozent), gefolgt von Schafen, Eseln, Pferden, Schweinen und Ziegen (über 95 Prozent). Anders sieht es bei Katzen und Hunden aus: Katzen werden zu 60 Prozent erneut eingesetzt und bei Hunden hält es sich mit 50 Prozent jeweils erneut und erstmalig die Waage.
Deutschland will Vorreiter beim Umgang mit Tierversuchen sein
Seit 2021 werden in Deutschland aufgrund der angepassten Versuchstiermeldeverordnung auch solche Tiere erfasst, die für Tierversuche oder für die wissenschaftliche Verwendung ihrer Organe oder Gewebe gezüchtet oder getötet wurden, dann aber nicht für solche Zwecke eingesetzt werden. Dazu zählen zum Beispiel Nachkommen aus der Zucht genetisch veränderter Linien, die aber nicht die gewünschte Veränderung aufweisen. Oder Tiere, die aus anderen Gründen nicht wissenschaftlich verwendet werden konnten, beispielsweise, weil sie zu alt waren. 2022 wurden rund 1,77 Millionen nicht verwendete Tiere gemeldet. Bei den meisten 2022 durchgeführten Tierversuchen wurde der Schweregrad als gering belastend eingestuft. Mit 66,3 Prozent ist der Anteil um drei Prozent leicht gestiegen. Der Anteil mit mittlerer Belastung mit etwa 25 Prozent ist um fast ein Prozent gefallen, genau wie der Anteil an schwerer Belastung, der mit 3,6 Prozent geringer ist als in den Vorjahren. Auch der Anteil an Versuchen, die vollständig unter Vollnarkose durchgeführt wurden, aus der die Tiere nicht mehr erwacht sind, ist von 6,4 auf 4,7 Prozent 2022 gefallen.
Obwohl heute schon viele Fragen der Wissenschaft durch den Einsatz von Zellkulturen, Organoiden, mikrophysiologischen Systemen, computergestützten Verfahren und weiteren Alternativmethoden beantwortet werden können, kann derzeit auf den Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke noch nicht verzichtet werden, heißt es in dem BfR-Bericht. So dienten über die Hälfte der Tierversuche der Grundlagenforschung. Dabei insbesondere Untersuchungen des Nerven- und Immunsystems, etwa 20 Prozent jeweils. Für die Erforschung von Erkrankungen, mit Schwerpunkt auf Krebs von Menschen und Tieren wurden etwa 14 Prozent der Tiere verwendet. Für die Herstellung und Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten oder für toxikologische Sicherheitsprüfungen wurden etwa 16 Prozent der Tiere verwendet. Rund elf Prozent der Tiere wurden für die Erhaltung von Kolonien etablierter genetisch veränderter Tiere benötigt und wurden nicht in weiterführenden Versuchen eingesetzt. Sonstige Versuchszwecke, wie zur Arterhaltung, Artenschutz, Aus- oder Weiterbildung oder dem Schutz der natürlichen Umwelt, machten vier Prozent der Versuche aus.
Das BfR fragt seit 2020 die Versuchstierdaten der Einrichtungen ab. Von 2009 bis 2010 war das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dafür zuständig. Seit 2021 übermittelt das BfR die Daten sogar jährlich an die Europäische Kommission, die dies nur alle fünf Jahre vorsieht. Durch den Jahresturnus möchte Deutschland, so heißt es seitens des BfR, größtmögliche Transparenz beim Umgang mit dem Thema Tierversuche und nimmt damit eine Vorreiterrolle innerhalb der EU ein. Die deutsche Forschung will zudem generell nach dem sogenannten 3R-Prinzip (replacement, reduction, refinement) die Anzahl verwendeter Tiere in Versuchen senken und, wenn möglich, durch Alternativmethoden ersetzen.
kfi