Das Bild zeigt einen blockierten Gebäudeeingang auf dem UCLA-Campus in Los Angeles.
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Nahost-Konflikt
Campus-Proteste in den USA eskalieren

Die Lage an den amerikanischen Universitäten spitzt sich zu. Der Leiter der DAAD-Außenstelle in New York ordnet die Situation ein.

02.05.2024

Die propalästinensischen Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg sind in den vergangenen Wochen an diversen US-Hochschulstandorten hochgekocht. Meist geht es dabei um die Forderung an Hochschulen und Unternehmen, nicht weiter in Israel oder den Gaza-Krieg zu investieren. Zuletzt spitzte sich die Lage zu: Am Dienstagabend (Ortszeit) räumte die New Yorker Polizei ein besetztes Hochschulgebäude der Elite-Universität Columbia im Norden Manhattans. Etwa zeitgleich kam es an der Westküste zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Protestgruppen bei einem Protestcamp an der University of California Los Angeles (UCLA). 

Es war bereits der zweite Großeinsatz an der New Yorker Columbia-Universität, nachdem die Polizei vor knapp zwei Wochen schon einmal auf Bitten der Uni-Leitung gegen die Studierenden vorgerückt war. Diese sahen sich in ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt und kritisierten das Vorgehen der Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig. In der Folge kam es an dutzenden Universitäten in den USA zu Demonstrationen und der Errichtung von Protestcamps. 

Lange Tradition von Studierenden-Protesten

Am Montag hatte die Hochschulleitung der Columbia angekündigt, Studentinnen und Studenten zu suspendieren, sollten sie das Protestcamp auf dem Universitätsgelände nicht bis zum Nachmittag verlassen. Doch das Gegenteil geschah: Demonstrierende drangen in die Hamilton Hall ein, die schon 1968 während eines Protests gegen den Vietnam-Krieg besetzt worden war.

Benedikt Brisch, Leiter der DAAD-Außenstelle in New York, weist gegenüber"Forschung & Lehre" auf die lange Tradition von Studierenden-Protesten in den USA hin: "Der Hochschulcampus als Ort der politischen Meinungsäußerung und des Protests hat in den USA besonders seit dem Civil Rights Movement der 1960er und 1970er Jahre einen hohen Stellenwert. Protest gegen das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung und für die Rechte von Palästinensern in Gaza und im Westjordanland sieht sich in dieser Tradition – und diese Anliegen finden Zuspruch in der amerikanischen Gesellschaft. Es gibt hier sehr viele Stimmen zur komplexen Lage im Nahen Osten mit sehr verschiedenen Perspektiven."

Radikalisierung der Protestbewegung

Beunruhigend sei aus seiner Sicht allerdings, dass derzeit bei einigen der Proteste an amerikanischen Universitäten der Übergang von legitimer Israel-Kritik zu Antisemitismus, offener Anfeindung und Gewaltaufrufen, fließend und oftmals erschreckend kurz sei: "Dabei lässt sich auch die Negierung von Fakten, die Verbreitung klassischer antisemitischer Verschwörungstheorien und die Rechtfertigung bis zur Verherrlichung von Terror gegen israelische Zivilisten beobachten. Dies erinnert uns daran, dass Rassismus und Antisemitismus leider in unterschiedlichen Bereichen des politischen und gesellschaftlichen Spektrums anzufinden sind und rasch eskalieren können."

Bedrohlich sei die Lage insbesondere für jüdische Hochschulangehörige, so Brisch: "Es ist erschütternd, dass viele jüdische Studierende und Lehrende sich an ihren Universitäten nicht mehr sicher fühlen, weil sie von Protestierenden aggressiv angegangen und nicht auf Teile des Campus gelassen werden."

Wissenschaftsvertretungen vor Ort könnten die Lage beobachten, analysieren und informieren, damit Lehrende, Studierende und Hochschulleitungen ihre Schlüsse daraus ziehen können. "Diese Phänomene, welche wir hier beobachten, gibt es in der einen oder anderen Form auch in Europa und in Deutschland", sagt Brisch. "Insofern sind wir aufgerufen, die Rolle der Wissenschaft in unseren eigenen Gesellschaften kritisch zu betrachten und darauf hinzuarbeiten, dass Wissenschaft über Resilienz gegenüber autoritärem Denken verfügt."

Camp-Räumungen auch an der UCLA

Das Camp auf dem Campus der renommierten University of California in Los Angeles (UCLA) wurde am Mittwochabend (Ortszeit) von den Behörden als "rechtswidrige Versammlung" eingestuft. In der Folge wurde es in der Nacht zu Donnerstag ebenfalls geräumt. US-Medien berichteten von mehr als 100 Festnahmen. Videos zeigten Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten.

hes / dpa