Eine Demonstrantin hält ein Schild mit französischer Schrift hoch mit der Forderung, die Wissenschaftsfreiheit zu schützen.
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Forschung kommunizieren
Wissenschaftsjahr 2024 zum Thema Freiheit gestartet

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat das Wissenschaftsjahr 2024 eröffnet. Über Freiheit sprachen sie, Forschende und viele weitere Gäste.

18.01.2024

"Freiheit" ist das Thema des Wissenschaftsjahrs 2024. Am 17. Januar wurde es von Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, bei einer Auftaktveranstaltung in Berlin eröffnet. "Es gibt viele Perspektiven auf Freiheit, aber auch Druck auf Freiheit. Sie ist kein Selbstläufer und nicht so selbstverständlich, wie wir manchmal meinen. Freiheit muss verteidigt werden, weil sie bedroht ist", sagte Stark-Watzinger. Denn sie sei das Fundament für alles. 

"Dieses Wissenschaftsjahr Freiheit soll ein intensives Debattenjahr werden. Mehr Kontroverse wagen, mehr Reibung und auch mehr Streit. Denn Streit ist die konstruktive Kraft einer Demokratie, wenn wir zu Respekt fähig bleiben. Deswegen machen wir 2024 zum Jahr der Freiheit", so die Bildungsministerin. 

"Streit ist die konstruktive Kraft einer Demokratie, wenn wir zu Respekt fähig bleiben."
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger

Zur Auftaktveranstaltung lud das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sowie andere Expertinnen und Experten zum Thema Freiheit ein, um Anregungen, Impulse und Ideen auf den Weg zu bringen. Dabei ging es allem voran um Wissenschaftsfreiheit, da diese in unterschiedlichen Dimensionen bedroht sei. In einigen Ländern wie Afghanistan, Iran, China und Russland geschieht dies durch Zensur, wie daher inzwischen im Exil lebende Forschende in Videobeiträgen berichten. 

Wissenschaftsfreiheit auch in Europa bedroht 

Aber auch in Europa ist sie bedroht. So berichtet Judith Möller, Professorin für Empirische Kommunikationsforschung an der Universität Hamburg, dass Kolleginnen ohne Personenschutz nicht mehr zu Veranstaltungen gehen können. "Ich rate meinen Studierenden daher, sich gut zu überlegen, ob und wozu sie sich öffentlich äußern", sagt Möller auch wenn das sehr traurig ist, findet sie. Ähnlich geht es Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr. Laut ihm ist das Dilemma hinsichtlich Freiheit auch, dass "je bedrohter die Freiheit ist, desto mehr wird sie durch das Sicherheitsdenken eingeschränkt." 

"Ich rate meinen Studierenden daher, sich gut zu überlegen, ob und wozu sie sich öffentlich äußern."
 Judith Möller, Professorin für Empirische Kommunikationsforschung

Das hat auch Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann, Dozent für deutsche Film- Kultur und Erinnerungsgeschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem erlebt. Denn dort hat das Semester aufgrund des Krieges mit Verspätung gestartet. Die Studierenden seien aber gern in die Hochschule gekommen, anders als an einigen deutschen Hochschulen, wo jüdische Studierende Angst haben in die Uni zu gehen. "Das hat mich sehr erschrocken", sagt Ebbrecht-Hartmann. "Wir brauchen einen Dialog, der mit Respekt geführt wird", wünscht er sich, "damit sich niemand ausgegrenzt fühlen muss." 

Es ist wichtig genau hinzusehen: Es gibt Meinungs-, aber keine Faktenfreiheit 

"Aber wir diskutierst du mit Menschen, die denken, die Erde ist eine Scheibe?", diese Frage wirft die russische Kulturwissenschaftlerin Dr. Irina Scherbakowa auf. Sie arbeitet an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und erhielt 2022 den Friedensnobelpreis für ihre Arbeit bei der von ihr gegründeten Menschenrechtsorganisation Memorial. Essentiell sei laut Dr. Jan-Werner Müller, Professor für Politische Theorie an der Princeton University, dabei zu unterscheiden, dass es Meinungsfreiheit gibt, aber keine Faktenfreiheit. Außerdem muss genau hingeguckt werden. "Es ist ein Unterschied, ob immer mehr Menschen mit der Demokratie unzufrieden sind", sagt er, "oder ob jemand gegen die Demokratie ist." 

"Es ist ein Unterschied, ob immer mehr Menschen mit der Demokratie unzufrieden sind oder ob jemand gegen die Demokratie ist." 
Dr. Jan-Werner Müller, Professor für Politische Theorie an der Princeton University

So eine negative Emotionalisierung würde aber gerne genutzt, um zu mobilisieren. Und heute wird so viel mobilisiert, wie noch nie zuvor. "Häufig wird unterschätzt, dass Autokratien und autoritäre Systeme auch voneinander lernen können", so Müller. Sie wissen, dass sie am meisten erreichen können, wenn sie im Mainstream ankommen. Genau das sei aber bedrohlich. 

"Die Menschen bekommen den Eindruck, es sei sowieso schon alles verloren, aber das stimmt nicht", sagt Müller. Das sei sogar empirisch falsch. Korrekt wäre es von einem "populistischen rechtsextremen Reservoir" zu sprechen. Es hänge davon ab, wer sich entscheidet mitzumachen und wer sich wehrt. "Zum Glück gibt es noch Menschen die das machen", so Müller. 

In Zukunft sollte es jedem möglich sein, frei zu denken und zu handeln 

Auch in Zukunft? Die Berichte der Schülerinnen und Schüler, die sich bei einem Workshop Gedanken für eine freie Gesellschaft der Zukunft gemacht haben, die sie bei der Veranstaltung im Futurium präsentieren, geben Hoffnung. Herausgekommen sind selbstgebastelte Zukünfte mit vielen Ideen. Allen gemein sind: dass es Natur und Tieren gut gehen und es jedem möglich sein soll, frei zu denken und zu handeln. 

Damit ist die gestrige Auftaktveranstaltung repräsentativ für das diesjährige Wissenschaftsjahr, in dem Bürgerinnen und Bürger miteinander in den Dialog treten und sich darüber hinaus mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern austauschen. 

Zwei Jahrestage unterstreichen die Relevanz des diesjährigen Themas: 75 Jahre Grundgesetz und 35 Jahre Mauerfall. Ziel bei den über 35 Projekten, über die Forschung & Lehre bereits berichtete: Die Öffentlichkeit dazu anzuregen, über den Wert der Freiheit, ihre Bedeutung und den Begriff an sich ins Gespräch zu kommen. 

Erstmalig in einem Wissenschaftsjahr unterstützt ein breit aufgestelltes Kuratorium aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Medien die Initiative. Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des BMBF mit Wissenschaft im Dialog (WiD).

kfi