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News: Neues Gedicht für Fassade der Alice Salomon Hochschule

Das Gedicht von Barbara Köhler ist ein großartiger Wurf, mit allen nötigen Komponenten, die Vorgeschichte einzubringen: den Wandel der Sichtweisen, das Änderungsverlangen und das Resultat. Allein die ersten beiden Zeilen arbeiten erfreulich mehrdeutig den Ablauf dieses Umwandlungsprozesses auf. Aus Bewunderung kann Zweifel werden, aus Zweifel Umdenken, aus Umdenken im Idealfall ein Gespräch im Sinne Hans-Georg Gadamers, und am Ende kann vielleicht ein Kompromiss entstehen, mit dem alle leben können. Stattdessen bekommen wir zu häufig die Entscheidung nur einer Seite.
Ebenso beeindruckend, dass nicht die beliebte damnatio memoriae durchgesetzt wurde, sondern eine Über-Schreibung in Form eines Palimpsests. Der weitere Text hält die Verwirrung und Mehrdeutigkeit im Gleichgewicht mit Aussagen, die durch bewusste Auslassungen mit jedem erneuten Lesen anders interpretiert werden können, was dem Lesenden allerdings abverlangt, mitzudenken.
Die Sicht auf öffentliche Dinge wandelt sich, ein Bismarck- oder Marx-Denkmal wird heute anders angesehen als um 1900, und eine Lüderitzstraße erst recht. Das Aktuelle erinnert [an] das Vorherige, nimmt es auf, [aber] löscht es nicht aus, da stimme ich Köhler absolut zu. Wenn sich jetzt noch beide Seiten unter der Gedichtfassade einfinden und miteinander ins Gespräch kommen könnten, wäre auch das ferne Ziel erreicht. Leider gibt es mittlerweile drei Seiten; die auf den Außenpositionen haben jeweils ihre Wahrheit gepachtet und reden überhaupt nicht mehr miteinander, und die in der Mitte haben niemand mehr zum Reden. Und damit sind wir beim Schlussteil des Gedichtes: Viel Glück werden wir in Zukunft brauchen.
Als einzige Ergänzung läse ich gerne auf der erläuternden Tafel nicht nur Kommentar und Namen von Eugen Gomringer, sondern auch die Namen und Antragstexte jener AStA-Aktivisten, die mit allen Mitteln die Änderung durchdrücken wollten. Denn auch die sind Teil der Geschichte und sollten sich nicht hinter ihren Taten verbergen dürfen.