Illustration von Menschen, die weltweit Daten teilen
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Kooperation in der Forschung
Ergebnisse aus der Forschung uneigennützig teilen

Während der Corona-Pandemie haben sich einige neue Forschungsverbünde gegründet. Unsere Autorin gibt Einblicke in solch einen Verbund.

Von Andrea Sinz 29.12.2020

Im Frühjahr 2020, als sich viele Länder im "Lockdown" befanden, entwickelte sich innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Massenspektrometrie der Gedanke, der Entwicklung der COVID-19-Pandemie nicht einfach machtlos zuzusehen, sondern etwas tun zu müssen. Auf Initiative von Prof. Perdita Barran, University of Manchester (Großbritannien), entstand daraufhin im April ein weltweiter Verbund, die "COVID-19 Mass Spectrometry Coalition". Beeindruckend war die sofortige Bereitschaft sehr vieler Kolleginnen und Kollegen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in den Dienst der Pandemiebekämpfung zu stellen. Über 500 Forscherinnen und Forscher aus 42 Ländern gehören inzwischen diesem Verbund an.

Das übergeordnete Ziel dieses außergewöhnlichen Verbundes ist es, die Massenspektrometrie als wichtige analytische Methode einzusetzen, um den durch SARS-CoV-2 verursachten Schaden zu minimieren. Methoden und Protokolle zur Entnahme und Vorbereitung der Proben werden innerhalb des Verbundes über Ländergrenzen hinweg geteilt, ohne dass wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Nationale Kontaktpunkte in jedem Land helfen, die Entwicklung der Methoden und Protokolle besser zu koordinieren.

Arbeitsgruppen aus Italien, Australien, Kanada, Brasilien und Deutschland verbreiteten bald ihre Protokolle und neuesten Forschungsergebnisse auf der Website des Verbundes. Auch meine Arbeitsgruppe wollte einen aktiven Beitrag leisten. Im April 2020 war noch völlig unklar, ob es überhaupt möglich ist, mit massenspektrometrischen Methoden Virusbestandteile aus Patientenproben, wie Nasen-Rachen-Abstrich-, Speichel- oder Gurgelproben, nachzuweisen. Sobald wir in meiner Arbeitsgruppe sicherstellen konnten, dass ein direkter Nachweis der Virusproteine wirklich funktioniert, haben wir das Protokoll sofort innerhalb der "COVID-19 Mass Spectrometry Coalition" geteilt, damit Kolleginnen und Kollegen weltweit die Methode anwenden und darauf aufbauen können.

Interessant ist die Massenspektrometrie vor allem für die Diagnostik-Firmen und Kliniken, die bereits entsprechende Geräte für die Bestimmung von Mikroorganismen oder für die Labordiagnostik besitzen. Wissenschaftler können mit Massenspektrometern virale Proteine nachweisen und charakterisieren. Das hilft der Entwicklung von Vakzinen und Therapeutika, aber auch der Verfolgung und Einordnung des Infektionsgeschehens. Der massenspektrometrische Virusnachweis bietet also die Möglichkeit, die Anwendungsbreite der bereits vorhandenen Massenspektrometer zu erweitern und bestehende Kapazitäten besser auszulasten.

Ein denkbarer Ansatz wäre, in Zukunft Massenspektrometer in Corona-Testzentren aufzustellen und Massentest-tauglich im Hochdurchsatz zum Infektionsnachweis einzusetzen. Hier besteht allerdings in Deutschland noch Verbesserungsbedarf, da die verschiedenen Labore im Gegensatz zu anderen Ländern oft isoliert arbeiten und keine übergeordnete nationale Strategie zwischen den einzelnen Standorten existiert.

Die "COVID-19 Mass Spectrometry Coalition" stimmt meine Kollegen und mich insgesamt optimistisch, da sie zeigt, was in Krisenzeiten möglich ist, wenn die Kräfte im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel gebündelt werden.