Solar Orbiter
Fotoshooting mit der Sonne
Für Laien ist es auf den ersten Blick rätselhaft, für Forscher ist es bereits jetzt eine kleine Sensation. Die ehrgeizige Raumfahrtmission "Solar Orbiter" hat kein halbes Jahr nach dem Start in Richtung Zentrum des Sonnensystems erste Bilder von der Sonne geschickt. Am Donnerstag wurden sie bei einer virtuellen Präsentation gezeigt. Darauf zu sehen sind eine Art brodelnder Lagerfeuer, die auch einen Eindruck von den immensen Temperaturen vermitteln. Von der Erde aus kann dies den Wissenschaftlern zufolge nur millionen- oder milliardenfach kleiner beobachtet werden.
"Obwohl dies nur die ersten Bilder sind, können wir bereits interessante neue Phänomene sehen", sagte Dr. Daniel Müller, Projektwissenschaftler der europäischen Raumfahrtbehörde Esa. Gesteuert wird der Orbiter vom Esa-Satellitenkontrollzentrum (Esoc) in Darmstadt. Einzigartig seien die Bilder auch, weil bislang keine Mission Aufnahmen von der Sonne aus einer derart geringen Entfernung gemacht habe, ergänzte Müller. Nur 77 Millionen Kilometer, quasi der halbe Weg zwischen Erde Sonne, war der Orbiter beim Fotoshooting entfernt.
Nach Angaben des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung gab es zwar andere Missionen zur Sonne. Doch die seien so nah an dem Stern blind gewesen. Jetzt sind zehn Instrumente an Bord des Raumschiffs, davon sechs Fernerkundungsinstrumente beziehungsweise Teleskope, die die Sonne und ihre Umgebung abbilden können. Die Wissenschaftler erhoffen sich Erkenntnisse davon, wie Sonnenwinde produziert werden und wie das Magnetfeld der Sonne funktioniert. Eine Hoffnung sei auch, dass man künftig Vorhersagen über Sonnenaktivitäten machen könne, sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung, Professor Sami Solanki.
Dem "heiligen Gral" einen Schritt näher
Diese Lagerfeuer, kleine Sonneneruptionen, seien für sich genommen unbedeutend, sagte Dr. Frédéric Auchère vom Institut für Weltraumastrophysik in Frankreich laut Mitteilung. Auf die gesamte Sonne betrachtet könnten sie aber der Hauptbeitrag für die Aufheizung der Sonnenkorona, der äußeren, mehr als ein Million Grad heißen Schicht der Sonnenatmosphäre, sein. Die physikalischen Mechanismen seien auch nach jahrzehntelanger Forschung nicht vollständig bekannt. Sie zu identifizieren, sei aber der "heilige Gral" der Sonnenphysik.
Nach Angaben von Dr. David Berghmans vom Königlichen Observatorium von Belgien, werden die künftigen Aufnahmen noch viel schärfer. "Die Instrumente sind noch nicht voll konfiguriert."
"Wir freuen uns alle sehr über diese ersten Aufnahmen, aber sie sind erst der Anfang", sagte Esa-Mitarbeiter Müller. Der Orbiter werde in weniger als zwei Jahren noch näher an die Sonne fliegen und den Stern dann aus 42 Millionen Kilometern erkunden. Die ersten Daten zeigen nach Auffassung der Projektwissenschaftlerin der US-Raumfahrbehörde Nasa, Dr. Holly Gilbert, die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den beiden Raumfahrtbehörden Esa und Nasa sowie den Nutzen der vielfältigen Datensätze bei der Entschlüsselung der Geheimnisse der Sonne.
Hitzeschild aus Titan
Die Raumsonde "Solar Orbiter" war im Februar vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida gestartet. Der Orbiter von Esa und Nasa soll auf seiner rund 1,5 Milliarden Euro teuren Mission neue Erkenntnisse zu unserem Heimatstern ermöglichen. Mit den Instrumenten soll ein Blick auch auf bislang weniger bekannte Regionen der Sonne wie die Pole geworfen werden. Um bei seinem Flug um die Sonne vor den hohen Temperaturen geschützt zu sein, verfügt die Sonde über ein Hitzeschild aus Titan. Auf der Oberfläche der Sonne herrschen Temperaturen von rund 5.500 Grad, im Inneren sind es 15 bis 16 Millionen Grad.
Zu den wissenschaftlichen Instrumenten an Bord trugen zwölf Mitgliedsstaaten der Esa bei. Deutschland beteiligte sich an der Entwicklung von sechs der zehn Instrumente. Mit dabei ist das rund 100 Millionen Euro teure Doppelteleskop PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager), dessen Aufnahmen Rückschlüsse auf das Magnetfeld der Sonnenoberfläche ermöglichen sollen. Dieses Magnetfeld treibt dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung zufolge alles andere an – Eruptionen, heiße Korona, Sonnenwinde.
Sonnenstürme können Satelliten außer Gefecht setzen, die Energieversorgung, GPS-Navigation und den Handyempfang stören. Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) ist bei der Mission hauptsächlich an dem Röntgenteleskop Stix (Spectrometer/Telescope for Imaging X-Ray) beteiligt, mit dem sich besonders heiße Regionen beobachten lassen, die nur während Sonneneruptionen entstehen.
dpa