Tauender Permafrost
Hitzewelle in Sibirien führte zu Methanleck
Die extreme Hitze vor einem Jahr hat in einigen Permafrostgebieten Russlands große Mengen des klimaschädlichen Gases Methan freigesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie um den Bonner Professor Nikolaus Froitzheim. Die Forscher untersuchten die Konzentration von Methan in der Luft und betrachteten jeweils die Bodenbeschaffenheit vor Ort. Dabei stellten sie fest, dass in zwei Gebieten mit Kalkstein besonders viel Gas freigesetzt wurde. Die Untersuchung ist in dem Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) veröffentlicht worden.
Fast zwei Drittel der Bodenfläche in Russland sind dauerhaft gefroren. Dieses Phänomen wird Permafrost genannt. Dort liegen immense Mengen an Resten von Pflanzen und Tieren, die noch nicht von Mikroben zersetzt wurden. Aktiv werden diese erst, wenn die Temperaturen steigen und der Boden aufweicht – bei diesem Zersetzungsprozess kann Methan freigesetzt werden.
Mit diesem Phänomen haben sich Studien bereits auseinandergesetzt. Nun haben Wissenschaftler untersucht, ob das Gas auch auf anderem Wege in die Atmosphäre gelangen kann.
Im Norden Sibiriens in dem Taimyr-Faltengürtel und am Rand der Sibirischen Plattform sei im Sommer 2020 eine um etwa fünf Prozent erhöhte Methan-Konzentration festgestellt worden, die über Monate bestehen geblieben sei, hieß es in der Studie. "Die Bodenbildungen in den beobachteten Gebieten sind sehr dünn oder fehlen ganz, was die Zersetzung von organischer Substanz in den Böden als Quelle des Methans unwahrscheinlich macht", sagte Froitzheim vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn.
Forscher vermuten Gasleck in tauenden Kalksteinböden
Er und seine Kollegen befürchten demnach, dass die bisher mit Eis und Gashydrat gefüllten Kluft- und Höhlensysteme im Kalkstein durch die Erwärmung durchlässig geworden sind. "Dadurch dürfte Erdgas, das zum größten Teil aus Methan besteht, aus Lagerstätten im Permafrost und unter dem Permafrost den Weg an die Erdoberfläche gefunden haben."
Die Wissenschaftler wollen dieser Annahme nun mit Messungen vor Ort und mit Modellrechnungen nachgehen. "Die Mengen von Erdgas, die im Untergrund Nordsibiriens vermutet werden, sind gewaltig", erläuterte Froitzheim. "Wenn Teile davon durch den tauenden Permafrost in die Atmosphäre gelangten, könnte das dramatische Auswirkungen auf das ohnehin schon überhitzte Klima der Erde haben."
"Der Ausstoß von großen Methanmengen in Permafrostgebieten würde die Klimakrise bedeutend verschlimmern", sagte Dr. Hinrich Schaefer vom Nationalen Institut für Wasser- und Atmosphärenforschung (Niwa) in Neuseeland. Auch in diesem Sommer haben Teile Russlands mit Hitze und verheerenden Waldbränden zu kämpfen.
Zweifel an den Messungen
Allerdings zweifeln laut Medienberichten derzeit Hinrich und weitere Experten, die nicht an der Studie beteiligt waren, ob die verwendeten Daten korrekt interpretiert wurden. Die untersuchten Kalksteinfelsen seien kaum von Erdreich bedeckt, wodurch sie in den Satellitendaten hervorstechen und möglicherweise Artefakte gemessen wurden. Die örtliche Geologie und das Mikroklima könnten zu verfälschten Ergebnissen oder zu einer Fehlinterpretationen der Rohdaten geführt haben. Froitzheim und sein Team wollen ihre Hypothese nun weiter untersuchen und die Hinweise prüfen.
Zudem seien keine Methanwerte aus dem Vergleichszeitraum vor der Hitzewelle 2020 bekannt und es sei nicht modelliert worden, bis in welche Tiefe die Hitze in die Gesteine habe vordringen können, bemängelte der Permafrost-Forscher Guido Grosse vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) die Studie.
Die unmittelbaren Folgen der Klimaveränderung bekommen viele Menschen in Gebieten mit Permafrost schon jetzt zu spüren – vor der eigenen Haustür. Gebäude, Straßen und Wege werden instabil oder stürzen ein. Nach aktuellen Studien seien derzeit weltweit mehr als 1.000 Siedlungen und Städte mit zusammen etwa fünf Millionen Menschen auf den arktischen gefrorenen Böden gebaut, sagt Dr. Mathias Ulrich, Geograf an der Universität Leipzig. Zu finden sind sie vor allem in Alaska, Kanada sowie in Sibirien vom Nordpolarmeer bis teilweise zum Ural und im Süden bis in die Mongolei.
aktualisiert am 04.08.2021 um 10.59 Uhr, zuerst veröffentlicht am 03.08.2021 um 10:14 Uhr
dpa/ckr