Akten der DDR Staatssicherheit lagern in der Außenstelle des Bundesarchivs in Leipzig.
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Provenienzforschung
Mühsame Suche nach Museumsgut aus der DDR

Die DDR hat Kunstobjekte aus ihren Museen im Westen verkauft. An den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wird erforscht, wie das ablief.

16.04.2023

Zwei Wissenschaftlerinnen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) sichten seit Wochen brisante Akten. Es geht um ein Kapitel der DDR-Museumsgeschichte, das bisher kaum untersucht ist: die Verwertung von Kunst und Antiquitäten aus staatlichen Museen für Devisen. Angefangen haben sie mit Stasi-Unterlagen aus dem Bundesarchiv. "Ein Tropfen auf dem heißen Stein, das waren 7.000 Seiten", sagt die Leiterin des vom Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste (Magdeburg) geförderten Projekts, Dr. Barbara Bechter. Bis Mai 2026 untersuchen sie die geschäftlichen Beziehungen des Museumsverbundes mit DDR-Außenhandelsfirmen wie der KuA – exemplarisch. Und leisten damit auch "Pionierarbeit", da ihre Erkenntnisse auf andere Museen übertragbar sein könnten.

"Das Projekt ist Grundlagenforschung", sagt ihre Kollegin Dr. Katja Lindenau. "Wir untersuchen beispielhaft an den SKD, wie das funktionierte mit Kunstverkäufen an die Kunst- und Antiquitäten GmbH (KuA), wie lief das ab, wer forderte von wem was, welche Ebenen waren eingebunden, wer bestimmte, welche Werke abgegeben werden und wer hat das abgesegnet." Ebenso von Interesse sei, "ob die Mitarbeiter hier überhaupt Spielräume hatten, den Forderungen etwas entgegenzusetzen".

Der Aktenberg vor den beiden Provenienzforscherinnen ist hoch. "Zur KuA gibt es im Bundesarchiv allein 74 laufende Meter, die seit 2020 erschlossen sind", sagt Bechter. Insgesamt stehen acht Archive auf ihrer Liste, am Ende seien das wahrscheinlich mehrere Hundert laufende Meter. So wollen sie in Materialien zu Parteien und Massenorganisationen der DDR, der SED oder aus damaligen Ministerien recherchieren.

Unterlagen belegen Kunstverkäufe aus der DDR

Laut Lindenau gibt es ein Spezialinventar zu Kunstverkäufen vom Stasi-Unterlagenarchiv. "Dort haben wir schon gut vorsortieren können, welche Akten die SKD betreffen." So etwas gebe es auch anderswo, aber ohne im Detail zu wissen, was in den Akten steht. "Man hat unter Umständen hunderte Seiten ohne große Informationen oder eine kleine Akte, in der sich ganz viel verbirgt wie Rechnungen, Listen, auf die wir sehr gespannt sind", beschreibt sie ihre aktuelle Arbeit.

Dabei können sich die Forscherinnen auch auf Vorarbeiten zur Thematik stützen und ganz viele Zeitzeugen, sagt Bechter. Kollegen, die noch im Dienst seien, aber auch schon im Ruhestand, könnten sich an die Ereignisse in der Wendezeit, als etwa 1990 das KuA-Lager in Mühlenbeck in Brandenburg aufgelöst wurde, und früher gut erinnern.

Die 1973 gegründete KuA erwirtschaftete mit der Ausfuhr von Kunstwerken, Antiquitäten und sonstigen Waren Valuta-Gewinne. Sie übernahm private und staatseigene Kunsthandlungen, mit Hilfe der Staatssicherheit wurden Eigentümer kriminalisiert, verhaftet, verurteilt und enteignet – und letztlich auch Museen unter Druck gesetzt. Verbindungen der Dresdner Kunstsammlungen zu Import- und Exportfirmen der DDR, die mit Kunst und Antiquitäten handelten, gab es nachweislich schon einige Jahre zuvor.

Kunstwerke von privaten Sammlern und Museen verscherbelt

"1968 ist der Ankauf des Triptychons 'Der Krieg' von Otto Dix für die Kunstsammlungen belegt", sagt Bechter. Zu dessen Finanzierung mussten sie "große wertvolle Bestände" abgeben. Bechter sprach von einem möglichen "Schlüsselerlebnis", das den Bereich Kommerzielle Koordinierung 1970 und 1973 auf die Idee brachte, Anfragen zu stellen nach Objekten der Museen aus der gesamten DDR, zur Devisenbeschaffung. "Allein die Dresdner Kunstsammlungen hätten da Bestände im Umfang von 12 bis 15 Millionen DDR-Mark abgeben sollen, was nur mit Stücken von nationalem Rang gegangen wäre". Der Aufschrei im Westen sorgte dann dafür, dass das Projekt verworfen wurde.

Die KuA fing zunächst an, die Privatsammler in der DDR zu kriminalisieren und zu enteignen. Nachdem diese Bestände weitgehend aufgebraucht waren, hielt man sich dann an die Museen. Mit den Kunstsammlungen gab es eine Vereinbarung über die Abgabe von "reichlich Beständen", berichtet Bechter. "Nach Akteneinsicht muss man sagen, dass die Verkaufspreise immer zum Nachteil der Museen waren." Vieles, was da für 100.000 D-Mark an westliche Kunsthändler gegangen sei, "wurde dann letztlich für weit über eine Million meist versteigert".

Viele Museen hatten Verträge mit dem DDR-Kunsthandel, insbesondere mit der KuA, über eine bestimmte Summe an Wert, der in Kunstwerken geliefert werden sollte. "Und es war dann im Haus zu sondieren, welche Bestände dafür abgegeben werden können", sagt Bechter. "Wie die Auswahl funktionierte, welche Möglichkeiten es gab, die eigenen Bestände zu schützen und dafür anderes abzugeben, ist ein Punkt, den wir untersuchen."

dpa