Östliches Graues Känguru springt durch Gras
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Grenze in der Artenvielfalt
Warum es auf Bali keine Kängurus gibt

Vor Millionen von Jahren schafften mehr Tierarten aus Asien den Sprung nach Australien als umgekehrt. Forschende haben dafür nun eine neue Erklärung.

08.07.2023

Schon lange ist Forschenden ein abrupter Wechsel in der Zusammensetzung der Tierwelt zwischen Australien und Asien bekannt. Während in Australien zum Beispiel zahlreiche Beuteltierarten wie Känguru und Koala leben, finden sich in Indonesien nur sehr wenige dieser typisch australischen Säugetiere. Australien fehlen hingegen für Asien typische Säuger wie Bären, Tiger oder Nashörner. Diese biogeografische Linie, entlang der sich die Artenvielfalt relativ plötzlich verändert, verläuft zwischen Bali und Lombok sowie Borneo und Sulawesi. Sie wird als Wallace-​Linie bezeichnet, nach dem britischen Naturforscher Alfred Russell Wallace, der diese bereits Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieb.

Wie dieses Verbreitungsmuster in der Tierwelt zustande kam, ist allerdings noch nicht genau geklärt. Mit einem neuen Modell beschreiben Forschende um Professor Loïc Pellissier von der ETH Zürich nun, weshalb vor Millionen von Jahren mehr Tierarten aus Asien den Sprung auf den australischen Kontinent schafften als umgekehrt. Die Studie ist am Donnerstag in der Fachzeitschrift "Science" erschienen. Eine wesentliche Rolle spielte demnach das Klima, in dem sich die Arten entwickelten: Die Tierarten mussten sich bei ihrer Migration an für sie ungewohnte Klimata anpassen. Dies gelang offenbar besser bei Tieren, die aus dem feuchtwarmen Asien in das vergleichsweise kühle und trockene Australien wechselten als umgekehrt. Die herrschenden Umweltbedingungen trugen damit den Forschenden zufolge maßgeblich zu der ungleichen Verbreitung asiatischer und australischer Tierarten auf beiden Seiten der Wallace-​Linie bei.

Voraussetzung für die Entwicklung beziehungsweise den Austausch der Tierwelt sei die Plattentektonik in dem Gebiet zwischen den beiden Kontinenten. Die australische Platte schiebe sich seit 45 Millionen Jahren unter die Eurasische Platte, wodurch sich die Landmassen langsam annäherten. Dabei seien auch unzählige Inseln zwischen den beiden Kontinenten entstanden, über die Tiere und Pflanzen schrittweise west-​ oder ostwärts wandern konnten. Warum dabei aber mehr Arten den Weg von Asien nach Australien fanden als umgekehrt, sei bislang ein Rätsel gewesen.

Inseln als Sprungbretter für Migration von Tieren

Die Forschenden schreiben nun, dass auf den indonesischen Inseln, über die Tiere aus Asien nach Australien gelangten, ein ähnlich tropisch feuchtes Klima herrschte wie in Asien, an das die asiatischen Arten entsprechend bereits angepasst waren. Sie hätten es damit leichter gehabt als die australischen Arten, denen seltener eine Anpassung an den Klimawechsel gelang. Aber auch in Australien hätten sich insbesondere Arten aus Asien angesiedelt, die Trockenheit bereits physiologisch gut tolerieren konnten. Um mit Trockenheit und Hitze besser zurecht zu kommen, passten sie zudem oft ihr Verhalten an, wurden beispielsweise nachtaktiv.

In der aktuellen Studie verglichen die Forschenden das einstige Klima und die Plattenverschiebungen in der Region mit einem umfassenden Datensatz für rund 20.000 Wirbeltiere – Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien–, die heute in der Gegend nachgewiesen sind. "Der historische Kontext ist für das Verständnis der heute beobachteten Verteilungsmuster der Artenvielfalt von entscheidender Bedeutung und war das fehlende Puzzlestück, welches das Rätsel der Wallace-​Linie löst", sagte Dr. Alexander Skeels, Erstautor der Studie.

Mit dem Menschen, der Tiere und Pflanzen verschleppe, finde der Austausch von Arten zwischen Kontinenten heute regelmäßig und vergleichsweise schnell statt. Diese Arten könnten auf anderen Kontinenten invasiv werden und der angestammten Tier-​ und Pflanzenwelt schaden.

ckr