Symbolbild mit Icons für Innovation und Technologie und einer chinesischen Flagge
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China Science Investigation
Wo deutsche Forschende mit Chinas Militär kooperieren

Ein Recherchekollektiv hat die Verflechtungen der europäischen Forschung mit dem chinesischen Militär analysiert. Kooperationen sind gängige Praxis.

19.05.2022

In der Forschung ist nicht immer klar, ob Ergebnisse auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen transnationale Kooperationen vorrangig im Streben nach Erkenntnis ein, in Sicherheitskreisen gilt die Zusammenarbeit aber teilweise als problematisch – insbesondere mit Ländern wie Russland und China. Ein internationales Recherchekollektiv hat nun untersucht, wie eng und regelmäßig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler europäischer Forschungseinrichtungen mit chinesischen Universitäten und Instituten kooperieren, die dem Militär nahestehen oder diesem vollständig unterstellt sind. Die Zahlen haben sie am Donnerstag vorgestellt.

Europäische Forschende haben demnach in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast 3.000 Studien veröffentlicht, die zusammen mit chinesischen Universitäten entstanden sind, die vollständig dem Militär untergeordnet sind. Die meisten solcher Kooperationen existierten mit dem Vereinigten Königreich (1.389), gefolgt von Deutschland (349), den Niederlanden (288) und Schweden (230).

48 deutsche Hochschulen kooperieren mit militärnahen Einrichtungen in China

Am häufigsten beteiligt waren in Deutschland die Max-Planck-Gesellschaft (39), die Universitäten in Bochum und Hamburg (je 27), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT, 21), das Forschungszentrum Jülich (16), die RWTH Aachen (15), die Universitäten in Duisburg-Essen (14), Mainz und Rostock (je 12), sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Uni Magdeburg (je 11). Insgesamt kooperierten laut Recherche 48 deutsche Hochschulen mit akademischen Institutionen in China, bei denen es ein hohes Risiko der Nähe zum Militär gebe.

Die meisten (ungefähr zwei Drittel) dieser Veröffentlichungen deutscher Forschender seien zusammen mit Forschenden der chinesischen Universität für Wissenschaft und Technik der Landesverteidigung (NUDT) publiziert worden. Die NUDT ist die wichtigste Uni des chinesischen Verteidigungsapparats, sie untersteht direkt der Zentralen Militärkommission, dem höchsten Verteidigungsgremium Chinas.

Die Studien behandelten vorwiegend Forschungsthemen aus den Bereichen Informatik, Physik und Werkstoffkunde, aber auch beispielsweise Künstliche Intelligenz, Mathematik und Algorithmen. Dem Kollektiv zufolge nutzt die chinesische Führung das Wissen aus der gemeinsamen Forschung für die strategische Aufrüstung des Militärs.

China Science Investigation

Die Recherche-Ergebnisse der "China Science Investigation" sind in zwei Teilen veröffentlicht. Beide sind online einsehbar. Die Namen der beteiligten Forschenden und die Titel der betroffenen Veröffentlichungen nennt das Recherchekollektiv nach eigenen Angaben bewusst nicht, um niemanden zu gefährden.

An der Recherche, der "China Science Investigation", unter der Leitung des deutschen gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv und der niederländischen Investigativ-Plattform "Follow the Money" waren 30 Journalistinnen und Journalisten von elf europäischen Medienpartnern beteiligt, darunter die "Süddeutsche Zeitung", die "Deutsche Welle" und der "Deutschlandfunk". Sie werteten mehr als 350.000 Studien aus, die europäische und chinesische Forschende zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 1. Februar 2022 zusammen publiziert haben.

Westliche Wissenschaftsfreiheit als Einfallstor für China?

Die Sorge um Risiken, die aus der Kooperation mit chinesischen Forschenden entstehen, ist in den deutschen Wissenschaftsorganisationen seit Jahren präsent. So stellen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Leopoldina und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) jeweils Empfehlungen und Leitlinien für deutsche Forschende bereit, worauf sie bei der Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern achten sollten. Die Entscheidung über Kooperationen liegt jedoch bei den Forschenden selbst und ist durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt.

Das Recherchekollektiv hält es für fraglich, ob die Sensibilisierung ausreicht und kritisiert, dass Forschende und Hochschulen hierzulande teils bewusst ignorierten, dass zivile Forschung auch für das Militär verwendet werden kann und wird. Expertinnen und Experten sähen in der westlichen akademischen Offenheit und Transparenz ein Einfallstor, um Wissen abzuziehen und für militärische Zwecke einzusetzen, schreibt das Kollektiv.

Dr. Enno Aufderheide, Generalsekretär der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, räumte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" ein, dass Forschungseinrichtungen in Deutschland der Einfluss Pekings nicht immer bewusst sei. "Wir müssen wachsam sein, wir müssen wehrhafter sein", sagte er mit Blick auf Russland ebenso wie China. Dennoch müsse die globale Wissenschaft verbunden bleiben. Es gelte, "die Balance zwischen Naivität und Paranoia zu finden".

ckr