Ein bespitzter Bleistift auf einem Notizblock
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Wissenschaftlicher Berufsalltag
Negative Emotionen von der Seele ­schreiben

Das Miteinander im akademischen Alltag ist nicht immer von Harmonie geprägt. Über die Folgen negativer Emotionen und den besten Umgang mit ihnen.

Von Bernd Weber, Xenia Grote Ausgabe 11/16

Soziale Interaktionen und Kooperation sind essenzieller Bestandteil der meisten Berufsprofile, auch in der Wissenschaft. Sei es in der Lehre oder bei der Durchführung und Veröffentlichung von Forschungsprojekten – Interaktion und Kooperation mit Studenten, Kollegen oder Kollaborationspartnern sind wesentlicher Bestandteil des akademischen Arbeitsalltags. Diese Interaktionen sind jedoch nicht immer ausschließlich von Harmonie geprägt.

Fühlt sich einer der Interaktionspartner ungerecht behandelt, kann dies zu negativen Reaktionen führen. So kommt es beispielsweise nicht selten vor, dass wir uns bei der Begutachtung einer Publikation durch die Stellungnahme eines Gutachters unangemessen oder gar unfair behandelt fühlen.

Evolutionär betrachtet haben sich Emotionen als nützlich erwiesen, um eine Adaption des Organismus an die wiederkehrenden Herausforderungen der Umwelt zu ermöglichen. Dennoch können negative Empfindungen, ausgelöst beispielsweise durch eine (gefühlt) unfaire Behandlung, auch nachteilige Folgen für den Betroffenen selbst und für seine Umwelt mit sich bringen. So kann die emotionale Aufladung den Betroffenen selbst belasten und sogar zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit führen.

Die Folgen für die Umgebung treten dann durch die anschließenden Handlungen des Individuums ein. So kann bei einer unfairen Behandlung eine nachteilige Folge sein, dass nicht der Verursacher selbst konfrontiert, sondern die Wut gegen unbeteiligte Dritte gerichtet wird. Dieses Abladen von negativen Emotionen bei unbeteiligten Dritten bezeichnet man als "generalisierte negative Reziprozität". Lässt der unbeteiligte Dritte seine Gefühle wiederum an einem weiteren Unbeteiligten aus, entsteht eine Kette von unfairen Handlungen, welche mit dem ursprünglichen Anlass nichts mehr zu tun hat.

Einen Ausweg kann hier die Regulation von Emotionen liefern. Denn es ist bereits vielfach nachgewiesen, dass die Fähigkeit zur Emotionsregulation einen wichtigen Prädikator für gesunde Psyche und positive Stimmung darstellt und die Lebensqualität sowie die Qualität der Interaktionen mit den Mitmenschen steigert. Konventionelle Regulationsstrategien, wie sie häufig in psychologischen Studien verwendet werden, (zum Beispiel Verdrängung, Neubewertung und Katharsis) bedürfen allerdings eines ausführlichen Trainings und eignen sich somit nicht für eine unkomplizierte Implementierung in den Berufsalltag.

Um zu untersuchen, ob Emotionsregulation einen Ausweg bietet und um für den Berufsalltag leicht integrierbare Strategien zu finden, haben wir zwei Untersuchungen durchgeführt. In der ersten Studie untersuchten wir die Auswirkung auf den Betroffenen selbst. Im anschließenden Experiment haben wir uns dann angeschaut, ob sich die gleiche simple Regulationsstrategie ferner dazu eignet, die unglückliche Verkettung der generalisierten negativen Reziprozität für die Umwelt zu unterbrechen.

Aufladung stoppen

In der ersten Studie wurde getestet, inwieweit unfaires Verhalten negative Emotionen auslöst und ob man diese Emotionen durch einfache Regulationsstrategien wieder verbessern und somit die emotionale Aufladung stoppen kann. Dafür nahmen 237 Probanden am sogenannten "Diktatorspiel" teil. In diesem Spiel schlüpft ein Spieler in die Rolle des Diktators und kann darüber bestimmen, ob ein bestimmter Geldbetrag entweder fair oder unfair zwischen dem Diktator und einem anderen Spieler aufgeteilt wird.

Der Diktator hat somit die Möglichkeit, sich selbst den Löwenanteil anzueignen und dem anderen nur einen kleinen Rest abzugeben. 83 Prozent der Diktatoren in der Studie entschieden sich für diese unfaire Aufteilung. Die Mitspieler mussten diese Geldaufteilung akzeptieren und konnten nichts dagegen unternehmen. Das wirkte sich deutlich auf die Stimmung aus, die sich bei den Benachteiligten deutlich verschlechterte.

Anschließend untersuchten wir, wie sich nach dieser unfairen Behandlung die Emotionen verbessern lassen bzw. die emotionale Aufladung stoppen lässt. Dafür wurden drei verschiedene Emotionsregulationsstrategien erprobt. Erstens: Eine Zwangspause von drei Minuten sollte für eine emotionale Distanzierung sorgen. Zweitens: Indem die Teilnehmer ein abstraktes, neutrales Bild beschreiben mussten, sollten sie sich ablenken. Drittens: In einer E-Mail durften sich die Betroffenen über ihre unfaire Behandlung beim "Diktator" beschweren. Einigen der Probanden in dieser Bedingung wurde mitgeteilt, dass die E-Mail an den "Diktator" weitergeleitet wird, und anderen wurde gesagt, dass diese E-Mail nicht weitergeleitet wird.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Regulationsstrategie der schriftlichen Beschwerde bei der Bewältigung der negativen Emotionen am besten abschnitt: Die Teilnehmer waren nach der Anwendung dieser Strategie signifikant besser gestimmt. Das simple Schreiben von Nachrichten an den Verursacher der unfairen Behandlung reicht also bereits aus, um die emotionale Aufladung zu stoppen. Vor allem spannend an dem Ergebnis ist die Erkenntnis, dass es dabei unwesentlich war, ob die E-Mail den Verursacher überhaupt erreichte.

Generalisierung verhindern

In der zweiten Studie haben wir dann untersucht, ob die Anwendung dieser Regulationsstrategie die Weitergabe von unfairem Verhalten verringert und somit die Kette der generalisierten negativen Reziprozität verhindert werden kann. Dafür absolvierten 92 weitere Probanden das gleiche Diktatorspiel, wonach zwei der bereits bekannten Emotionsregulationsstrategien Anwendung fanden: die Zwangspause und das Schreiben der E-Mail. Über den Ablauf der ersten Studie hinaus durften die Probanden aber am Ende der Untersuchung selbst einen Geldbetrag zwischen sich und einem unbeteiligten Dritten aufteilen.

Sie schlüpften also nun selbst in die Rolle des Diktators. Damit hatten sie die Möglichkeit, das ihnen widerfahrene unfaire Verhalten weiterzugeben oder die Kette der generalisierten negativen Reziprozität zu durchbrechen. Das Verhalten der Probanden zeigte, dass sie nach dem Schreiben der Nachrichten nicht nur besser gestimmt waren, sondern signifikant öfter faire Geldaufteilungen für die unbeteiligten Dritten vornahmen. Durch diese simple Emotionsregulationsstrategie kann somit die Kette der generalisierten negativen Reziprozität durchbrochen werden.

Aktiv werden

Negative Emotionen können nachteilige Folgen für den Betroffenen selbst und für seine Umwelt mit sich bringen. Dies kann, wie andere Studien zeigen, auch negative Auswirkungen auf den Berufserfolg haben. Einen Ausweg bietet die Regulation von Emotionen, die nachgewiesenermaßen einen positiven Einfluss auf viele Lebensbereiche hat. Konventionelle Regulationsstrategien bedürfen jedoch eines ausführlichen Trainings und sind daher für die spontane Implementierung in den Berufsalltag ungeeignet.

Im Rahmen von zwei Studien konnten wir zeigen, dass das Schreiben einer Nachricht an den Verursacher der negativen Emotion die emotionale Aufladung des Betroffenen stoppen kann und sich ferner dazu eignet, die Verbreitung der negativen Stimmung auf die Umwelt zu verhindern. Ferner konnten wir aufzeigen, dass für die Regulation die Zustellung der Beschwerde nicht nötig ist. Dies hat den großen Vorteil, dass mögliche negative Konsequenzen durch die Konfrontation vermieden werden können. Um sich also Emotionsregulation im Berufsalltag leicht zu machen, empfiehlt es sich, sich den Frust einfach von der Seele zu schreiben.