ein Mitarbeiter trägt das Logo des Desy auf seinem weißen Helm, während er im Teilchenbeschleuniger-Tunnel des Röntgenlaser-Projekts European XFEL steht
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Ukraine-Krieg
Cern und Desy beenden Kooperation mit Russland

Immer mehr Forschungseinrichtungen in Europa distanzieren sich wegen des Ukraine-Krieges von Russland – auch das Cern und das Desy.

10.03.2022

Das Cern (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire), die Europäische Organisation für Kernforschung, setzt den Beobachterstatus Russlands wegen des Einmarsches in die Ukraine bis auf Weiteres aus. Das beschloss der Cern-Rat, in dem die Mitgliedsländer vertreten sind, am Dienstag in Genf bei einer außerordentlichen Sitzung. "Cern wird bis auf Weiteres keine neue Zusammenarbeit mit Russland und russischen Institutionen eingehen", teilte die Organisation mit.

Der Rat drückte seine Unterstützung aus für ukrainische Partner sowie für russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den russischen Krieg in der Ukraine verurteilt haben. In seiner Mitteilung betonte die Organisation ihre Gründungsabsicht – die friedliche und gemeinschaftliche Ausübung der Wissenschaft über Grenzen hinweg.

Für die Cern-Mitarbeit gibt es verschiedene Stufen. Neben den 23 Mitgliedsländern gibt es assoziierte Mitglieder, die Beiträge zahlen, die Infrastruktur teils nutzen können und in Gremien vertreten sind, ohne Stimmrecht. Zu dieser Gruppe gehört die Ukraine. Eine Stufe darunter sind Länder mit Beobachterstatus, mit denen es gewisse wissenschaftliche Kooperationen gibt. Bislang waren das Russland, Japan und die USA.

In Deutschland hatte die Allianz der Wissenschaftsorganisationen am 3. März empfohlen, dass Kooperationen mit staatlichen Institutionen und Wirtschaftsunternehmen in Russland eingefroren werden. Daran hält sich neben zahlreichen Hochschulen auch das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) und setzte seine Kooperationen mit russischen und belarussischen Instituten aus. Die Einrichtung ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft mit Standorten in Hamburg und Zeuthen bei Berlin und zählt zu den weltweit führenden Zentren in der Forschung an und mit Teilchenbeschleunigern.

"Wissenschaft kann sich nicht mehr raushalten"

In der Wochenzeitung "Die Zeit"  hat der Leiter des Desy, Helmut Dosch, am Donnerstag die Beendigung der wissenschaftlichen Kooperation mit Russland bekräftigt. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine sei eine elementare Bedrohung und ein Angriff auf die europäische Friedensordnung. "Da kann sich die Wissenschaft nicht mehr heraushalten", sagte der Leiter der Forschungseinrichtung.

Eine Sanktion dieses Ausmaßes sei auch für sein Institut Neuland, sagte Dosch. "Das Desy gibt es seit mehr als 60 Jahren, weltweite Kooperation ist Bestandteil unserer DNA. Selbst im Kalten Krieg erhielten wir die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern jenseits des Eisernen Vorhangs aufrecht", erklärte der Physiker. Die Maßnahmen richteten sich gegen russische Organisationen, nicht gegen die Wissenschaftler. Man versuche, mit ihnen in Kontakt zu bleiben, auch über geheime Kanäle. Das allerdings sei derzeit sehr gefährlich.

Das Desy hat nach Angaben von Dosch rund 100 russische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und 30 aus der Ukraine. Insgesamt beschäftigt das Desy nach eigenen Angaben rund 1.200 Forschende sowie jährlich über 3.000 Gastforschende. Das Institut erwarte keine Distanzierung von Russlands Präsident Wladimir Putin. "Wir machen keine Gesinnungsproben", sagte Dosch. Die russischen Kollegen hätten jedoch von sich aus ein Kommuniqué verfasst, in dem sie sich mit ihrem Klarnamen gegen diesen Krieg positionierten.

Schockiert zeigte sich Dosch über die Haltung der Universität Moskau und des Kurtschatow-Instituts, die komplett auf Putins Linie lägen. "Dass Wissenschaftler einen Vernichtungskrieg bagatellisieren, ist unerhört", sagte Dosch. Er habe seine Ehrendoktorwürde an das Moskauer Institut zurückgegeben.

dpa/ckr