Kooperation mit Russland
Immer mehr deutsche Hochschulen wenden sich von Russland ab
Deutsche Hochschulen haben sowohl einzeln als auch gemeinsam für ihr Bundesland gemeldet, dass sie laufende Kooperationen mit Russland wegen des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine abbrechen. Entsprechende Ankündigungen haben in den letzten Tagen etwa die Technische Universität (TU) Berlin, die Freie Universität (FU) Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) gemacht. Es folgten die baden-württembergischen Hochschulen am Dienstag und die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen am Mittwoch. Auch mehrere Thüringer Universitäten haben ihre Kooperationen und Austauschprogramme mit Russland vorerst auf Eis gelegt, wie sie ebenfalls am Mittwoch mitteilten. Am Donnerstag folgten die wissenschaftlichen Einrichtungen in Brandenburg und die bayerischen Universitäten. Die Institutionen reagierten damit auf die Empfehlungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen der letzten Woche und die Stellungnahme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom Montag.
Hochschulen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern
Die Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg erklärte Medienberichten zufolge am Dienstag, es sei "angesichts eines ungerechtfertigten Angriffskriegs selbstverständlich, dass staatliche russische – und belarussische – Institutionen nicht von Projektmitteln der Bundesrepublik profitieren dürfen". Auf individueller Ebene werde der Austausch mit russischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern allerdings fortgesetzt, um die demokratischen Kräfte des Landes zu stärken. Eine große Zahl von ihnen verurteile den Angriffskrieg gegen die Ukraine, sagte Professor Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz. Die Landesrektorenkonferenz reagierte damit auf einen Aufruf der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, bestehende Beziehungen zum russischen Staat und zu russischen Einrichtungen kritisch zu prüfen und auszusetzen, soweit das zu vertreten sei.
Das NRW-Wissenschaftsministerium hat sich am Mittwoch mit Vertretern von Hochschulen, Wissenschaftseinrichtungen, Studierenden und Universitätskliniken darauf verständigt, dass wissenschaftliche Beziehungen zu Russland ruhen. Sympathie und Achtung gälten jenen Russinnen und Russen sowie Studierenden und Forschenden, die den vom russischen Präsidenten Wladimir Putin begonnenen Krieg nicht unterstützten.
Das Landeswissenschaftsministerium Brandenburg hat in einer gemeinsamen Erklärung mit den Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Studentenwerken im Bundesland am Donnerstag erklärt, die offiziellen wissenschaftlichen Beziehungen zu Russland auszusetzen. Alle Einrichtungen würden ihre bestehenden Beziehungen zu Wissenschaftseinrichtungen in der Russischen Föderation und in Belarus kritisch überprüfen und diese – soweit menschlich und völkerrechtlich vertretbar – aussetzen. Bilaterale Kontakte zu Forschenden in Russland solle es weiterhin geben. Gemeinsam wolle man Studierende und Forschende aus der Ukraine unterstützen, wozu das Ministerium bis zu 500.000 Euro bereitstelle.
Ebenfalls am Donnerstag teilte die Vorsitzende der Bayerischen Universitätenkonferenz, Professorin Sabine Doering-Manteuffel mit, dass bayerische Universitäten alle Forschungskooperationen mit russischen und belarussischen Wissenschaftseinrichtungen aussetzen. Mit russischen Partnerinnen und Partnern solle trotz der ausgesetzten Kooperationen ein düner "Faden des Diskurses" aufrechterhalten werden, wie Professor Ulrich Bartosch, Präsident der Uni Passau sagte.
Wie sich Universitäten positionieren
Die Universitäten, etwa die HU Berlin, haben angekündigt, dass auch Dienstreisen und Exkursionen sowie die Beschaffung von Forschungsgeräten aus Russland ausgesetzt werden. Es solle allerdings zwischen Institutionen und Personen unterschieden werden. Das bedeute, dass sich für russische Studierende in Bachelor-, Master- oder Promotionsstudiengängen an der HU nichts ändere. Auch auf Stellen und Studienprogramme an der Freien Universität Berlin können sich russische Studierende und Forschende weiterhin bewerben.
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena hat von 21 institutionellen Kooperationen mit Russland berichtet, die bis auf weiteres pausierten. Sechs Studierende der Universität seien derzeit in Russland. Man stehe mit ihnen in Kontakt und sobald die Situation sich weiter zuspitzen sollte, werde ihnen die Ausreise angeraten, wie eine Uni-Sprecherin am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presseagentur sagte.
Die Universität Erfurt hat ebenfalls am Mittwoch angekündigt, russische Studierende, die demnächst ihr Studium an der Universität antreten wollen, zu bitten, nicht zu kommen. Das gelte nicht nur für das kommende Sommersemester, sondern auch für das Wintersemester 2022/23. Russische Studierende, die bereits vor Ort seien, würden allerdings nicht nach Russland zurückgeschickt. Die Universität rate allen deutschen Studierenden, die einen Aufenthalt in Russland planten, nach Alternativen zu suchen, wie eine Sprecherin der Hochschule mitteilte.
Die Bauhaus-Universität in Weimar hatte bereits vergangene Woche all ihre Kooperationen mit Russland auf Eis gelegt.
Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende aus der Ukraine bieten verschiedene Hochschulen Unterstützung an und setzen damit ebenfalls eine Empfehlung des DAAD und der Allianz der Wissenschaftsorganisationen um. Die HU Berlin etwa legt einen Nothilfefonds für diese Gruppe auf. Zudem sollen ukrainische Wissenschaftler und Studierende umfassend zu Aufenthaltsfragen und sozialen Belangen beraten werden. TU und FU Berlin haben ähnliche Angebote. Zusätzlich bietet die TU Berlin allen Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeitern Beratung und Hilfestellungen an beim Umgang mit russischen Kooperationen, Partnerinnen und Partnern.
zuletzt aktualisiert am 04.03.2022 um 12.54 Uhr, zuerst veröffentlicht am 02.03.2022 um 16.42 Uhr
cpy/dpa