Das Bild zeigt das Schild eines Demonstrierenden mit der Aufschrift "Stop Kalifat".
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Hamburg
Islamistische Gruppe wirbt um junge Menschen

Die Gruppe "Muslim Interaktiv" wird vom Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft. Ihr Erfolg unter Studierenden ist umstritten.

07.05.2024

Ende April löste eine von Islamisten organisierte Demonstration mit über 1.000 Teilnehmenden große Empörung aus. Gefordert wurde unter anderem ein Kalifat als Lösung gesellschaftlicher Probleme – wenn auch nur für islamische Staaten. Organisiert wurde die Kundgebung von der Gruppe "Muslim Interaktiv", die vom Verfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft ist. Am Wochenende habe die Gruppe auf X zu einer weiteren Versammlung aufgerufen, meldete die "Welt".

"Muslim Interaktiv" bemüht sich seit 2020 insbesondere im Internet um Jugendliche. Allein auf Instagram würden die Videos der Gruppe mehr als 1,5 Millionen Aufrufe verzeichnen, berichtete die "Welt am Sonntag". Unter den Unterstützenden seien viele Studierende aus dem Hamburger Raum. 

Rekrutierung an Hamburger Hochschulen?

Laut "Welt am Sonntag" sei "Muslim Interaktiv" an Hamburger Hochschulen aktiv. Die betreffenden Hochschulen dementierten dies auf Anfrage von "Forschung & Lehre". Ihnen seien keine Aktivitäten der Gruppe an der Hochschule bekannt. Bei Bekanntwerden würde man im rechtlichen Rahmen strikt dagegen vorgehen. "Extremisten jeglicher Form haben bei uns keinen Platz", betonte der Sprecher einer Hochschule.

Der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat keine bundesweiten Informationen über den Zuspruch der Gruppe an Hochschulen. Auch dem Islamwissenschaftler Professor Mouhanad Khorchide vom Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster sind keine repräsentativen Studien bekannt. "Allerdings kann aus eigener Erfahrung angemerkt werden, dass die Rekrutierung in den eigenen Reihen von 'Muslim Interaktiv' weniger unter Studierenden stattzufinden scheint", sagte er auf Anfrage. 

Emotionale Ansprache junger Menschen

Den Erfolg der Gruppe unter jungen Menschen sieht Khorchide in der Ansprache der Gruppe begründet: "Da die Sprache von 'Muslim Interaktiv' stärker emotional als rational ist, scheinen sich eher junge Menschen durch diese Plattform angesprochen zu fühlen, die unabhängig vom Bildungsgrad auf der Suche nach Identität, nach Orientierung im Leben, nach Zugehörigkeit sind", sagte Khorchide. Dies unterscheide die Gruppe etwa von der religiösen und dogmatischen Sprache des Salafismus. Die Gruppe erzeuge ein "Wir"-Gefühl unter jungen Musliminnen und Muslimen, "die im Westen den 'Anderen', ja das Feindbild konstruieren". Der Nahost-Konflikt werde instrumentalisiert, um junge Menschen durch pro-palästinensische Rhetorik zu erreichen. "Nicht allen ist ersichtlich, um welche Ideologie es sich dabei (…) handelt."  

Ein Verbot der Gruppe wird parteiübergreifend gefordert. Die "Welt am Sonntag" zeichnet Kontakte zwischen "Muslim Interaktiv" und der seit 2003 in Deutschland verbotenen Organisation "Hizb-ut-Tahrir (HuT)" nach und sieht dies als Hebel für ein Verbot der Gruppe: Würde "Muslim Interaktiv" als Ersatzorganisation eingestuft, könne ein beschleunigtes Verbotsverfahren durchgeführt werden. Bei einer Einstufung als Nachfolgeorganisation würde "Muslim Interaktiv" durch das bestehende Vereinsverbot sogar bereits mit umfasst.

hes/dpa