Studierende der Washington Adventist University stehen vor dem Supreme Court in Washington und lesen dessen Urteil zu "affirmative action" an US-Universitäten auf ihren Smartphones.
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Urteil des Supreme Court
US-Unis dürfen bei Zulassung Hautfarbe nicht mehr berücksichtigen

Unter dem Begriff "affirmative action" fördern US-Unis ethnische Minderheiten. Bei der Studienzulassung ist damit Schluss, sagt das Oberste Gericht.

29.06.2023

Das Oberste Gericht der USA hat die Berücksichtigung der Hautfarbe oder Abstammung von Bewerberinnen und Bewerbern bei der Zulassung an Universitäten für verfassungswidrig erklärt. Viele Universitäten hätten viel zu lange die Hautfarbe als "Prüfstein" angesehen – und nicht die Herausforderungen und Fähigkeiten, die ein Bewerber gemeistert oder erlangt habe, hieß es am Donnerstag in der Begründung des Supreme Courts in Washington. Auch wenn die fraglichen Zulassungsverfahren an der privaten Elite-Universität Harvard und der staatlichen Universität von North Carolina mit guter Absicht eingeführt worden seien, verstießen sie gegen die Verfassung.

Die Absicht der Hochschulen war es, mit den Auswahlkriterien strukturell benachteiligten Minderheiten einen besseren Zugang zu Universitäten zu gewähren. Geklagt hatte dagegen die Studierendenorganisation "Students for Fair Admissions", unter anderem, weil durch die Auswahlverfahren, die insbesondere auf Schwarze abzielten, Bewerber mit asiatischen Wurzeln benachteiligt würden. Die Zulassungspolitik der Hochschulen sei diskriminierend.

Die gezielte Förderung von ethnischen Minderheiten unter dem Begriff "affirmative action" ist seit Jahrzehnten ein Reizthema in den USA. Sie sollte die Vielfalt unter den Studierenden sicherstellen. Das Urteil in dem Fall war mit großer Spannung erwartet worden und bedeutet nun, dass das Gericht mit seiner rechten Mehrheit – sechs der neun Richter sind konservativ – eine jahrzehntelange Praxis gekippt hat. Die "affirmative action" wurde in den USA seit der Zeit der Bürgerrechtsbewegung Mitte des 20. Jahrhunderts angewandt. Bürgerrechtsorganisationen befürchten, dass die Zahl Schwarzer an Universitäten nun drastisch zurückgehen könnte.

Biden widerspricht Urteil des Supreme Courts

US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung als "schwere Enttäuschung" und wies das Bildungsministerium an, zu untersuchen, welche Maßnahmen zu einer inklusiveren und diversen Studentenschaft beitragen können. "Wir sollten niemals zulassen, dass sich dieses Land von dem Traum wegbewegt, auf dem es gegründet wurde: dass es Chancen für jeden gibt, nicht nur für ein paar wenige", sagte Biden im Weißen Haus. Er schloss sich den Worten von Richterin Sonia Sotomayor an, die der Mehrheitsmeinung widersprach: Das Gericht mache mit seiner Entscheidung Jahrzehnte bedeutsamen Fortschritts zunichte. "Diskriminierung gibt es immer noch in Amerika", sagte Biden.

Das Gericht weist in seiner Begründung darauf hin, dass Universitäten weiterhin berücksichtigen könnten, wie die Hautfarbe oder die Abstammung das Leben der Bewerberinnen und Bewerber geprägt habe – "sei es aufgrund von Diskriminierung, Inspiration oder auf andere Weise". Die Bürgerrechtsorganisation ACLU wies in einer Reaktion ebenfalls auf diesen Passus hin und forderte die Universitäten auf, die Chancengleichheit zu erhöhen, indem sie etwa bei der Zulassung auf standardisierte Tests verzichteten und finanzielle Unterstützung erhöhten.

zuletzt aktualisiert am 29.06.2023 um 20.30 Uhr, zuerst veröffentlicht um 17.39 Uhr

dpa/ckr