Füße einer nackten Frau, die mit Handschellen gefesselt sind.
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Menschenhandel
"Die Folgen sind für die Opfer dramatisch"

Am 30. Juli begehen die Vereinten Nationen den Welttag gegen Menschenhandel. Auch in Deutschland kommt das Phänomen vor und das Dunkelfeld ist groß.

Menschenhandel gilt als schwerwiegendes Verbrechen und wird im sogenannten Zusatzprotokoll von Palermo zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels der Vereinten Nationen unter anderem als "Anwerbung, Beförderung, (…) von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, (…) oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit (…) zum Zweck der Ausbeutung" definiert. Menschenhandel ist ein global weit verbreitetes Problem. In Europa führte unter anderem die Öffnung des Schengen-Raums 1995 zu einer Zunahme des transnationalen Menschenhandels, die sich im Zuge der Corona-Pandemie noch verstärkt haben dürfte. Deutschland fungiert hierbei als Transit-, Ziel- und Ursprungsland und differenziert Menschenhandel aktuell in die Deliktfelder Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung sowie seit Kurzem auch in Ausbeutung bei der Ausübung von Bettelei, Ausbeutung zur Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen und Menschenhandel zum Zweck der rechtswidrigen Organentnahme. Die Übergänge sind dabei oft fließend.

Betroffene von Menschenhandel

Häufig geht Menschenhandel mit Migrationsprozessen einher. Gerade der Menschenhandel zum Zweck sexueller Ausbeutung ist dabei eng an Zwangsprostitution gekoppelt und macht mit beispielsweise 427 registrierten Opfern in 2019 den größten Teil der polizeilich erfassten Menschenhandelsfälle in Deutschland aus. Das Tätigkeitsfeld Prostitution gilt in Deutschland als legale Berufstätigkeit mit entsprechender Versteuerung und sozialversicherungsrechtlicher Absicherung. Im Zusammenhang mit Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung, bei dem die Betroffenen zumeist nach Deutschland gelangen, um einer benachteiligten sozioökonomischen Lage im Herkunftsland zu entkommen, werden diese Rahmungen jedoch nicht eingehalten. Die meist weiblichen Betroffenen (laut BKA 94,8 Prozent der Betroffenen in 2019) werden häufig direkt im Herkunftsland und unter falschen Versprechungen attraktiver Jobangebote, mitunter aber auch offen zu Prostitutionszwecken, die als übergangsweise angekündigt werden, in das Zielland gelockt. Im Jahr 2019 waren die Betroffenen neben deutscher vor allem thailändischer, rumänischer und bulgarischer Herkunft.

Bei deutschen Opfern ist häufig das sogenannte "Loverboy-Phänomen" ursächlich. Dabei wird dem Opfer vom Täter eine Liebesbeziehung vorgespielt, in der der Partner seine Freundin schließlich überredet, sich für ihn zu prostituieren. Die generellen Einwirkungsarten, um Opfer in die Prostitution zu treiben, sind Drohung, psychische und physische Gewalt sowie die Ausnutzung der Zwangslage –, vor allem wenn sich die Opfer wissentlich illegal im Land befinden.

Ausbeuterische Merkmale wie eine schlechte oder keine Bezahlung, unverhältnismäßig lange Arbeitszeiten, hohe sogenannte 'Vermittlungsgebühren' an Zuhälter und gefährliche Arbeitsbedingungen finden sich hier wie auch bei der Arbeitsausbeutung. Diese Deliktform umfasst die Ausbeutung von Menschen für zumeist illegale Beschäftigungsverhältnisse. Wenn ein Täter oder eine Täterin wissentlich die Zwangslage eines Opfers ausnutzt, indem er oder sie es zum Beispiel zu ausbeuterischen Bedingungen beschäftigt oder zur Aufnahme oder Fortsetzung der betreffenden Tätigkeit zwingt, liegt Arbeitsausbeutung vor. Auch diese zeichnet sich – ähnlich wie bei sexueller Ausbeutung – durch schlechte bis keine Entlohnung, rechtswidrige Arbeitszeitüberschreitungen und/oder unrealistisch hohe Vermittlungsgebühren aus. 2019 waren in Deutschland 43 Opfer offiziell aufgedeckt – die Dunkelziffer soll immens sein. Branchen, in denen Arbeitsausbeutung häufig vorkommt, sind die Gastronomie, die Landwirtschaft, der Bau und die Fabrikarbeit, die Pflege und Haushaltstätigkeiten.

"Zu bedenken ist, dass die polizeilichen Statistiken ausschließlich das sogenannte Hellfeld von Menschenhandel aufzeigen."

Im Deliktbereich Ausbeutung zur Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen wurden 2019 in Deutschland 23 vorwiegend männliche Opfer offiziell registriert, die ausschließlich aus Weißrussland und Polen stammten und gezielt in den Herkunftsländern durch Tatverdächtige – deren Großteil dieselbe Herkunft wie die Opfer aufwies – per Drohungen und Gewaltanwendungen dazu angehalten wurden, Diebstähle zu begehen. Die anderen beiden relativ neu erfassten Deliktbereiche Ausbeutung bei der Ausübung von Bettelei und Menschenhandel zum Zweck der rechtswidrigen Organentnahme wurden polizeilich bisher mit je einem und keinem Opfer im Jahr 2019 kaum offiziell erfasst.

Zu bedenken ist, dass die polizeilichen Statistiken ausschließlich das sogenannte Hellfeld von Menschenhandel aufzeigen. Die nicht identifizierten Fälle bilden das sogenannte Dunkelfeld, das für den Bereich des Menschenhandels als immens groß eingeschätzt wird und die Statistiken auf eine eher geringe Aussagekraft zurückstuft. Sowohl das Wissen um die oftmals vorliegende Illegalität des Aufenthaltes und/oder der Beschäftigung als auch die hohe Schambesetztheit des Themas – insbesondere, wenn es um sexuelle Ausbeutung geht – hindern die Opfer daran, sich gegenüber der Polizei, Beratungsstellen und anderen Hilfe anbietenden Institutionen zu öffnen.

Ursachen und Folgen von Menschenhandel

Das Risiko, Opfer von Menschenhandel zu werden, erhöht sich nachweisbar für Personen mit geringem Bildungs- oder Lebensstandard. Als ursächlich gelten hier die Zunahme sozioökonomischer Ungleichheiten und die schlechte wirtschaftliche und politische Lage in vielen Ländern. Die Option einer Migration wird von Betroffenen oft als einziger Ausweg gesehen, um der Benachteiligung hinsichtlich Ressourcen und Chancen in ihrem jeweiligen Herkunftsland zu entgehen.

Einwanderungsbegrenzungen in den Zielländern beziehungsweise fehlendes Wissen um offizielle Zuwanderungsmöglichkeiten stellen zusätzliche Risikofaktoren für entsprechende Ausbeutung durch Menschenhändler oder Menschenhändlerinnen dar. Dabei ist Menschenhandel für diese ein lukratives Geschäft bei gleichzeitig geringem Risiko. Die Aufdeckungsquote ist gering. Es sind kaum Investitionen nötig, während der finanzielle Gewinn beachtlich ist. Schätzungen zufolge machen Menschenhändler in Europa und Nordamerika jährlich 46,9 Milliarden US-Dollar Profit.

Die Folgen von Menschenhandel sind für die betroffenen Opfer oft dramatisch. Zu einer problembelasteten Ursprungssituation kommt häufig eine isolierte Lage im Zuge der Migration sowie die (mindestens) ökonomische Abhängigkeit von den Täterinnen und Tätern. Die Betroffenen gelten als sogenannte hard-to-reach-Klientel für Hilfesysteme, da sie kaum erkannt werden und ihr Vertrauen in staatliche Organe in der Regel zerstört ist. Aber auch wenn ein Ausstieg aus der Ausbeutungssituation gelingt, werden bei vielen Betroffenen schwerwiegende psychische Folgen wie Posttraumatische Belastungsstörungen, schwere Stresssymptome oder Anpassungsstörungen sowie affektive Störungen (in der Regel Depressionen) diagnostiziert.

Worauf Prävention und Intervention bei Menschenhandel achten müssen

Auf der Ebene unterstützender Interventionen für Menschenhandelsopfer wird aufgrund der Schambesetztheit des Themas, das ein immense Dunkelfeld bedingt sowie wegen der aufgezeigten schweren, traumabedingten Folgen für die Opfer aktive Vertrauensarbeit als unerlässlich angesehen. Diese stellt eine besondere, theoretische Untermauerung brauchende, praktische Herausforderung an das professionelle Helfersystem dar, auch weil die Opfer es selbst als gefährlich einstufen, zu vertrauen, da sie ohne Vertrauen nicht in die Ausbeutungssituation gelangt wären. Während Kenntnisse zur Arbeit mit den Betroffenen in entsprechenden Fachberatungsstellen vorliegen, wäre es gleichzeitig wünschenswert, wenn auch andere Berufsgruppen (zum Beispiel Polizistinnen und Polizisten), die mit Opfern von Menschenhandel in Kontakt kommen, Grundkenntnisse beispielsweise in Traumaarbeit hätten. Andererseits sind die Polizeiarbeit betreffende Kenntnisse sowie ein juristisches Grundverständnis ebenso unerlässlich für die Unterstützungsarbeit der Akteurinnen und Akteure im psychosozialen Bereich.

Es besteht ein zentraler Bedarf an multidisziplinärer Zusammenarbeit und adressaten- und adressatinnenorientierter Kooperation für die Präventions- und Interventionsarbeit im Kampf gegen Menschenhandel, um das bessere und frühere Erkennen von Betroffenen, Täterinnen und Tätern sowie auch die Strafverfolgung der letzten beiden zu begünstigen. Für einen umfassenden Opferschutz sind zudem die Entstehungsbedingungen von Menschenhandel zu betrachten. Ansatzpunkte im nationalen wie globalen Kontext wären mögliche Unterstützungs- und Hilfsprogramme in den Herkunftsländern, die das sozioökonomische Gefälle zum Beispiel bei Aufklärung, Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen zu reduzieren vermögen. In den Zielländern müssten gesetzlich vorhandene Regelungen zum Aufenthaltsrecht zum Schutz von Menschenhandelsopfern besser umgesetzt werden, was neben besseren Bedingungen für sie dann auch zu mehr juristischer Handhabe gegen Menschenhändlerinnen und Menschenhändler führen dürfte.

Zum Weiterlesen:

Völschow, Y. & Gahleitner, S. (Hrsg.). Menschenhandel und Zwangsprostitution: Interdisziplinäre Perspektiven mit Blick auf Prävention und Intervention. Beltz Juventa: Weinheim, 2021.