Ein aufgeschlagenes Buch
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Rezension
Ein "frischer Blick" auf die Verhaltensökonomie

Zwei Wirtschaftsnobelpreisträger kritisieren "Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft". Ein Anstoß für die Wirtschaftspolitik.

Von Gerlinde Fellner-Röhling Ausgabe 4/17

Wenn zwei Wirtschaftsnobelpreisträger sich daran machen, moralisch verwerfliche Marktaktivitäten anzuprangern, horcht nicht nur das Fachpublikum auf. George Akerlof und Robert Shiller üben Kritik an der klassischen ökonomischen Sicht, der zufolge schlechte Entscheidungen – als Folge individueller Irrationalitäten – mittelfristig verschwinden: Da es anderen Marktteilnehmern möglich ist, daraus Profit zu schlagen, wird sich bei den Geschädigten letztlich Rationalität durchsetzen.

Die beiden Ökonomen beschwören ein ganz anderes Bild herauf: Die Dummheit sei Bestandteil eines Gleichgewichts zwischen Anbietern (den "Phishern"), die ausgestattet sind mit Eigeninteresse und fragwürdiger Moral, und Nachfragern (den "Informations- oder Emotions-Dummen"), denen es an Aufgeklärtheit und innerer Kontrolle mangelt.

Dabei muss nicht zwingend jeder Händler verwerfliche Mittel anwenden. Dass derartige ökonomische Chancen existieren, reiche – gepaart mit fehlender Einsicht der Ausgenutzten – bereits aus, ein nicht wohlfahrtsoptimales Resultat zu perpetuieren. Aus der Verhaltensökonomik ist bereits bekannt, dass Menschen aufgrund kognitiver und emotionaler Schranken oft keine "guten" Entscheidungen treffen. Das Erstaunen über die Dummen mag sich somit in Grenzen halten.

Was unterscheidet dieses Buch nun von anderen populären Werken der Verhaltensökonomik? In erster Linie ist es der Fokus auf die Anreize für Unverantwortlichkeit und unmoralisches Verhalten. Akerlof und Shiller illustrieren die problematischen Folgen von Interessenskonflikten und asymmetrischer Information anhand zahlreicher, aktueller Beispiele. Somit rückt die Symbiose zwischen den Phishern und den Dummen in den Vordergrund: Erstere folgen ihren Anreizen, andere auszunützen. Zweitere sind aufgrund institutioneller Rahmenbedingungen oder psychologischer Prozesse nicht imstande, es zu verhindern.

Das Buch ist für Ökonomen und Politiker zu empfehlen, die darin frischen Anstoß für Wirtschaftspolitik finden mögen, sowie für alle Interessierten, die sich nicht "phishen" lassen wollen. Reichlich Stoff für angeregte Diskussionen bietet das Werk zur Genüge.

George A. Akerlof / Robert J. Shiller: Phishing for Fools. Manipulation und Täuschung in der freien Marktwirtschaft. Econ Verlag, Berlin 2016, 416 Seiten, 24,- Euro.