Jutta Allmendinger, Hendrik Streeck, Harald Wilkoszewski, Helga Rübsamen-Schaeff und Christoph Schmidt bei der Pressekonferenz des Sachverständigenausschusses zur Evaluation der bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen.
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Sachverständigenausschuss
Corona-Maßnahmen einzeln kaum zu beurteilen

Masken wirken, wenn sie richtig getragen werden. Das sagen die Sachverständigen, die die Corona-Maßnahmen in Deutschland bewerten sollten.

01.07.2022

Die Wirkungen und Nebenwirkungen einzelner bisheriger Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie sind aus Expertensicht kaum für sich genommen zu beurteilen. Es seien Maßnahmenbündel gleichzeitig ergriffen worden, die man nicht auseinanderrechnen könne, sagte der Bonner Virologe Professor Hendrik Streeck am Freitag in Berlin. Er äußerte sich als Mitglied einer Sachverständigenkommission von Bundestag und Bundesregierung, die am Freitag ihren mit Spannung erwarteten Evaluationsbericht zum Effekt von Corona-Auflagen vorgestellt hat. Das Gremium lege daher keine Tabelle vor, was richtig und falsch sei.

Weiterhin hilfreich gegen das Coronvirus können nach Ansicht des Gremiums Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen in Innenräumen und Zugangsbeschränkungen nur für Getestete sein. Hinter vielen anderen bekannten Auflagen setzt der Sachverständigenausschuss große Fragezeichen – denn mangels ausreichender Daten seien keine sicheren Bewertungen möglich.

Unter welchen Umständen Corona-Maßnahmen hilfreich sind

Generell könne man sagen: "Jede Maßnahme hat ihre Zeit", sagte Streeck. So sei es gerade zu Beginn sinnvoll, eine Verbreitung in der Bevölkerung zu reduzieren, sagte er mit Blick auf Schließungen und Lockdown-Maßnahmen. Je längere dies dauere, desto geringer seien aber deren Effekte. Auch die Kontaktnachverfolgung ist laut Gutachten vor allem in der Frühphase der Pandemie wirksam gewesen.

Bei Zugangsregeln nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete (3G/2G) seien die Effekte hoch, aber vor allem in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung. Die Wirkung sei zudem von Virus-Varianten und Impfstoffen abhängig. Generell verpuffe der Ansteckungsschutz mit der Zeit wieder, machte Streeck deutlich. Daher sollte man mit tagesaktuellen Tests arbeiten. Wie gut eine Eindämmung über Testung funktionieren könne, muss laut Bericht aber weiter erforscht werden.

Streeck betonte: "Masken wirken. Das muss man deutlich sagen." Wichtig sei aber, dass Menschen Masken auch tragen wollten. Im Bericht heißt es, eine schlecht sitzende und nicht eng anliegende Maske habe "einen verminderten bis keinen Effekt".

Corona-Wirkung von Schulschließungen nicht belegt

Kommissionsmitglied Jutta Allmendinger mahnte eine Auseinandersetzung der Politik mit dem Evaluationsbericht an, auch wenn die Datenlage wie offen erklärt nicht optimal sei. Es sei eine Frage des Respekts, dass man die Arbeit des Gremiums ernst nehme, sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).

Als Lehre aus den Folgen der Corona-Pandemie forderte sie einen Rechtsanspruch auf soziale Kontakte für Kinder. Es gebe starke Evidenzen, was Schulschließungen mit Kindern machten, sagte Allmendinger. Es gebe also Gewissheiten über psychische Auswirkungen.

Allmendinger stellte weiter heraus, dass es auch in den Familien insgesamt negative Auswirkungen durch Schulschließungen gegeben habe – etwa einen "Rückfall in alte Geschlechterrollen" und ein "unglaubliches Ausmaß an mentaler Erschöpfung". Die genaue Wirksamkeit von Schulschließungen auf die Eindämmung der Virusausbreitung hingegen ist den Expertinnen und Experten zufolge weiterhin offen.

Die Evaluation sollte im Auftrag des Gesetzgebers vor allem die Vorgaben und Auflagen im Rahmen der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" beleuchten, die in Deutschland über Monate bis Ende November 2021 bestand. Das Gremium besteht aus 18 Expertinnen und Experten verschiedener Fachrichtungen. Der Virologe Christian Drosten hatte es Ende April verlassen.

dpa/ckr