Beschädigtes Maisfeld: Extremwetterereignisse wie Hagel und Starkregen können die Ernte von Mais und Getreide in einer Region zerstören.
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Ernährungssicherheit
Klimawandel erhöht Risiko für gleichzeitige Ernteausfälle

Extremwetter kann zu regionalen Ernteausfällen führen. Mit dem Klimawandel wird es wahrscheinlicher, dass dies zeitgleich an mehreren Orten geschieht.

07.07.2023

Gleichzeitige Extremwetterereignisse in zwei wichtigen Getreideanbauregionen können die Ernährungssicherheit in vielen Ländern bedrohen. Wissenschaftler haben deshalb untersucht, mit welchen Ernteeinbußen solche Ereignisse in der Vergangenheit verbunden waren und welche Änderungen im Zuge des Klimawandels zu erwarten sind. So hat es bei ungünstigen Großwetterlagen im Zeitraum 1960 bis 2014 in Ostasien bis zu sieben Prozent weniger Weizen und Mais in der Region gegeben. Die Forschungsgruppe um Dr. Kai Kornhuber von der Columbia University in New York City hat ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht.

"Gleichzeitige Ernteausfälle in wichtigen Anbauregionen stellen ein systemisches Risiko dar, da die damit verbundenen steigenden Nahrungsmittelpreise zu Konflikten und Unterernährung in Ländern führen können, die auf Importe angewiesen sind", schreiben die Studienautoren. Sie verweisen darauf, dass dieser Aspekt in gängigen Klimamodellen kaum berücksichtigt wird. Für ihre Analyse nahmen die Wissenschaftler die Feldfrüchte Weizen und Mais ins Visier. Jeweils etwa zwei Drittel der Weltproduktion stammt aus den Regionen Nordamerika, Westeuropa, Osteuropa, Indien und Ostasien.

Welche Wetterlagen sorgen für Ernteausfälle?

Hoch- und Tiefdruckgebiete, die sich teilweise wochenlang kaum vom Fleck bewegen und deshalb Dürren oder extreme Niederschläge verursachen, entstehen auf der Nordhalbkugel meist durch bestimmte Konstellationen beim Jetstream. Der polare Jetstream ist ein Starkwindband, das sich in neun bis zwölf Kilometern Höhe an der Grenze zwischen subtropischer Warmluft und polarer Kaltluft um die Erde windet. Der Jetstream kann große Wellen, sogenannte Rossby-Wellen, ausbilden. Wenn diese nicht weiterwandern, sondern stehen bleiben, dann können sich Hoch- und Tiefdruckgebiete längere Zeit über einer Region halten. Für die Sommer der Nordhalbkugel sind Rossby-Wellen mit fünf und mit sieben Wellenbergen bekannt.

Kornhuber und Kollegen suchten in historischen Daten (1960 bis 2014) nach Ereignissen, bei denen mehr als eine Kornkammer niedrige Erträge erzielte und die mit Rossby-Wellen zusammenhingen. Sie ermittelten anhand mehrerer Modelle, dass in der Vergangenheit bei Rossby-Wellen mit sieben Wellenbergen die Weizen- und Maisernte in Ostasien um bis zu sieben Prozent niedriger lag, in Nordamerika um sechs Prozent und in Osteuropa um drei Prozent. Bei Rossby-Wellen mit fünf Bergen waren es 3,7 Prozent weniger in Osteuropa und zwei Prozent weniger in Nordamerika.

Die Forschenden untersuchten, wie wahrscheinlich das Auftreten von gleichzeitigen Ernteverluste in zwei der Kornkammern in der Vergangenheit war. Die Wahrscheinlichkeit war laut der Studie vor allem dann erhöht, wenn Nordamerika eine der betroffenen Regionen war. Bei den Modellsimulationen der künftigen Entwicklung (2045 bis 2099, bei sehr stark steigendem Kohlendioxidausstoß) steigt das Risiko von hohen Ernteverlusten besonders, wenn bei Sieben-Berge-Rossby-Wellen Nordamerika und Ostasien betroffen sind. Bei Fünf-Berge-Rossby-Wellen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für hohe Ernteverluste, wenn einerseits Nordamerika und Osteuropa sowie andererseits Indien und Westeuropa betroffen sind.

Was passiert, wenn globale Getreidelieferanten wegfallen?

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat im vergangenen Jahr gezeigt, wie schwierig die Lage auf dem Weltmarkt wird, wenn zwei der großen Getreidelieferanten kriegsbedingt kein Getreide mehr ausführen. Im Zuge des Klimawandels könnte es durch wetterbedingte Ernteausfälle zu noch gravierenderen Situationen kommen. Die Studienautoren plädieren daher für mehr Forschung in dem Bereich.

Deutschland kann nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seinen Weizenbedarf durch den eigenen Anbau decken. Lediglich beim Mais als Futtermittel ist die Bundesrepublik auf Importe angewiesen. Im Jahr 2022 wurden rund 3,2 Millionen Tonnen Mais auf den deutschen Markt eingeführt.

dpa