Das Foto zeigt einen Lastwagen mit Baumstämmen auf einer staubigen Strasse im Regenwald/Amazonas.
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Nachhaltigkeit
Land als Lebensgrundlage weltweit bedroht

Forscher haben erstmals die globalen Folgen der Landnutzung untersucht. Ein Ergebnis ist der dramatische Rückgang der Artenvielfalt.

09.01.2019

Der weltweite Druck auf die Landfläche als natürliche Lebensgrundlage hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Landfläche als Grundlage für Ökosysteme und Artenvielfalt schwindet am schnellsten, aber auch die landwirtschaftliche Fläche ist stark betroffen.

Dies geht aus einer Studie von Felix Creutzig und Kollegen vom Mercator Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin hervor, die in der Fachzeitschrift "Global Sustainability" erschienen ist. Die Forscher untersuchten demnach weltweit die Veränderung der Landnutzung hinsichtlich der Artenvielfalt, der landwirtschaftlichen Nutzung, der CO2-Speicherung, sowie der Verstädterung in den Jahren 2000 bis 2010. Es sei die erste Studie, die räumlich abgelöst diese Aspekte zusammenhängend und global untersucht. Nach Überzeugung der Autoren kann die Lage nur abgemildert werden, wenn lokale und globale Handlungen abgestimmt ineinandergreifen.

Der schnellste Artenverlust ist laut Studie im Amazonas und in Indonesien zu beobachten. Landwirtschaftliche Fläche schwinde dagegen vor allem in China, Indien, und im nördlichen Afrika. In Indien und Afrika südlich der Sahara lasse sich der schnellste Bevölkerungszuwachs beobachten. Die Landnutzungsveränderungen stünden in direktem Zusammenhang.

"In China oder Ägypten geht die rapide Verstädterung auf Kosten wertvoller landwirtschaftlicher Fläche. Die Landwirtschaft holt sich die Anbaugebiete dann in abgelegenen Regionen wie dem Amazonas zurück – auf Kosten der letzten natürlichen Ökosysteme", fasst Studienleiter Creutzig die Ergebnisse zusammen.

Die Verstädterung, die sich lokal verändernden Lebensstile und die Fernwirkung bestimmter Konsumentscheidungen trieben die teilweise bedrohliche Veränderung der Erdoberfläche voran. Zuerst sorge die Verstädterung für direkte Eingriffe in Ökosysteme und gehe auf Kosten landwirtschaftlich wertvoller Fläche. Weniger der Verlust der Landmenge aufgrund der Verstädterung sei besorgniserregend; problematischer sei vielmehr, dass dabei die weltweit landwirtschaftlich produktivste Fläche verloren gehe. So trage zum Beispiel die Ausweitung von Kairo ins Nildelta mit dazu bei, dass Ägypten immer mehr Nahrungsmittel importieren müsse.

Klimawandel als "Zufallsmoment" der Landnutzung

Zweitens sorgt den Erkenntnissen der Autoren zufolge die Änderung der Lebensstile sowie das Ansteigen des Bevölkerungswachstums dafür, dass gerade Ökosysteme im weiteren Umkreis der bevölkerungsreichen Gegenden unter Druck geraten. Ein Beispiel sei etwa die Savannah in Westafrika, wo auch ländliches Bevölkerungswachstum mit Zuwachs landwirtschaftlicher Leistung einhergehe.

Drittens beobachten die Forscher, dass die Einschnitte in Ökosysteme globale Ursachen haben. Während der direkte Erhalt natürlicher Umgebung in Europa in den letzten Jahrzehnten durchaus anzuerkennen sei, so sorge doch die Nachfrage für brasilianisches Soja, für niedersächsische Hühnchen oder chinesische Schweine indirekt dafür, dass immer weitere Fläche des brasilianischen Amazonas verschwänden, einem der größten und wertvollsten Ökosysteme unseres Planeten. Gleichermaßen sei die Nachfrage nach Palmöl aus Indonesien mit einem drastischen Verlust indonesischer Tropenwälder verbunden. Diese Fernwirkung betont nach Überzeugung der Autoren auch die Verantwortung deutscher und europäischer Konsumenten und der hiesigen Nahrungsmittelpolitik.

Dabei ist laut Studie der Klimawandel das "Zufallsmoment" der Landnutzung, das sowohl zum Guten als auch zum Schlechten auf die Landfläche wirken kann. So könne im globalen Vergleich tatsächlich festgestellt werden, dass sich die Landfläche bereits durch den Klimawandel verändere. Dazu gehöre das Ergrünen der sibirischen Tundra, das auch mit erheblicher Freisetzung von Methan, einem wirksamen Treibhausgas, einhergehe, ein wachsender Verlust landwirtschaftlicher Fläche in Australien durch Dürre, und eine Veränderung der Savanne in Afrika durch neue Niederschlagsmuster.

Felix Creutzig hebt wiederholt die Bedeutung der Artenvielfalt hervor und mahnt zu einem nachhaltigeren Lebensstil: "Artenverlust ist irreversibel und wir brauchen koordinierte Bemühungen bei der Stadtplanung, bei der Ausweitung der Fläche von Nationalparks, und das auf globaler Ebene, indem etwa Artenschutz harmonisiert und verstärkt wird, aber auch gemeinsam geschaut wird, wie wir unsere Konsummuster nachhaltiger gestalten können. Stadtplanung in sich rasch entwickelnden Ländern, von Nigeria bis Thailand, könnte durch kompaktere Bauweise Land einsparen. In Europa und Nordamerika würde zum Beispiel ein gemäßigter Konsum von Fleisch- und Milchprodukten schon zum Schutz der Regenwälder beitragen."

gri