Pinguine in der Antarktis
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Sozialwissenschaft
In der Klimapolitik besser vorankommen

Die Meldungen über menschengemachte Einflüsse auf Umwelt und Klima häufen sich. Gesche Krause erforscht 2019 weiter, wie ein Umsteuern gelingen kann.

Von Katrin Schmermund 31.12.2018

Forschung & Lehre: Frau Krause, als Sozialwissenschaftlerin forschen Sie am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) an der Schnittstelle zwischen Klimaforschung und gesellschaftlicher Akzeptanz. Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf das neue Jahr?

Gesche Krause: Ich bin unverbesserlicher Optimist! Ich finde es erst einmal bemerkenswert, dass wir es über so viele verschiedene Kulturen und Religionen hinweg vor einigen Jahren geschafft haben, uns auf die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele zu einigen, und dass das Pariser Klimaabkommen jetzt konkretisiert wird. Das ist nicht selbstverständlich und wird viel zu selten positiv kommuniziert. Auch wussten wir noch nie so viel über unseren Planeten wie heute. Das ist eine enorme Chance, die es jetzt zu nutzen gilt.

Dr. Gesche Krause
Dr. Gesche Krause forscht am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. privat

F&L: Wir kommen an vielen Stellen langsam voran – manchmal nicht einmal das…

Gesche Krause: Es ist tatsächlich so, dass es oft Wissensbrüche gibt. Damit meine ich, dass wir zum Beispiel wissen, wie schädlich das Fliegen ist und es trotzdem tun. Dieses als "kognitive Dissonanz" beschriebenes Phänomen liegt auf verschiedenen Ebenen begründet. Als Individuum entfremden wir uns – auch durch die Digitalisierung – immer stärker von unserer unmittelbaren sozial-gesellschaftlichen Umgebung und der Natur. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene führen diese Entfremdungen zu dem Phänomen der Parallelgesellschaften. Durch solche Aufspaltungen – und das in allen Lebensbereichen – verlieren wir den Blick auf das große Ganze.

"Wir müssen uns stärker mit den positiven und negativen Effekten scheinbar nachhaltiger Ziele auseinandersetzen." Gesche Krause

F&L: Wie zeigt sich das konkret in der Klimapolitik?

Gesche Krause: Oftmals fehlt eine kritische Folgenabschätzung: Wir wollen mehr E-Autos auf den Markt bringen, um das Klima zu schützen. Deren Akkus benötigen jedoch metallische Rohstoffe. Dies wiederum könnte den Tiefseebergbau befördern und somit stiege das Risiko, dass in naher Zukunft große Teile des Ozeans stark gestört würden. Solche möglichen Wirkungsketten sind noch nicht gänzlich entschlüsselt, was bedeutet, dass wir uns stärker mit den positiven und negativen kurz- und langfristigen Effekten scheinbar nachhaltiger Ziele auseinandersetzen müssen. Somit vermeiden wir, dass unsere Bemühungen am Ende für uns alle unerwünschte Folgen und Konsequenzen haben.

F&L: Inwiefern kann Ihr Forschungsfeld dazu beitragen?

Gesche Krause: Wir setzen uns mit den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren, ihren Interessen und Interaktionen auseinander. Nur so erkennen wir Probleme in ihrer ganzen Vielschichtigkeit, die uns in der Form vielleicht gar nicht bewusst beziehungsweise deutlich waren. Mit Ansätzen dieser "Co-Produktion von Wissen", als einer Art des gemeinsamen Lernens "in Echt", können wir diese Komplexität besser eingrenzen.

F&L: Wie sieht diese "Co-Produktion von Wissen" konkret aus?

Gesche Krause: Zunächst wird analysiert, wie bestehendes Wissen in verschiedene Bereiche der Wissenschaft und Gesellschaft transferiert und auch genutzt wird. Dies erfolgt durch eine Reihe von problem-fokussierten Treffen, in denen sich Wissenschaftler und gesellschaftliche Akteure zusammensetzen und gemeinsam über diese konkreten Teilaspekte diskutieren, was oftmals zu konstruktiveren Ergebnissen führt als mit zu vielem Personen über zu weite Themenfelder zu diskutieren.

F&L: Können Sie ein Beispiel für ein solches Treffen nennen?

Gesche Krause: Wir haben etwa in einem Workshop mit Akteuren aus der Fischerei, der Fischverarbeitung, der Vermarktung sowie mit Behördenvertretern und Umweltverbänden diskutiert, welche Folgen der Klimawandel auf die lokale Fischerei(-produktion) haben kann, beziehungsweise schon hat. Neben dem Konsens, dass der Klimawandel real ist und auch schon erste Folgen zu erkennen sind – unter anderem in der Zunahme von Sturmintensitäten und einer veränderten Artenzusammensetzung im Fang –, haben wir gemeinsam konkrete Schritte überlegt, welche Aktivtäten kurz-, mittel- und langfristig erfolgen müssten, um eine nachhaltige Fischerei aufzubauen. Mein Forschungsfeld liegt genau an dieser Schnittstelle; Methoden und Formate zu entwickeln und anzuwenden, um solche Art der Wissensschaffung, basierend auf wissenschaftlicher Evidenz, im Abgleich mit gesellschaftlichen Prozessen und Bedürfnissen zu ermöglichen.

<link wissenschaft-2019 _blank external-link-new-window internal link in current>Ein Beitrag aus der Themenreihe: Wissenschaft 2019

<link wissenschaft-2019 _blank external-link-new-window internal link in current>Zwischen dem 26. und 31. Dezember auf Forschung & Lehre

F&L: Mit welchen Themen werden Sie sich im kommenden Jahr besonders intensiv beschäftigen?

Gesche Krause: Das ist natürlich sehr vielfältig, da wir am AWI mit unseren Forschungsschwerpunkten im Bereich Klima, Geologie und Biologie ganz verschiedene Felder abdecken. Eine Frage, die mich persönlich derzeit sehr umtreibt und die mich sicherlich im kommenden Jahr sehr beschäftigen wird, ist die Frage der nachhaltigen Ernährungssicherung aus dem Meer. Hierzu habe ich vor einem Jahr an einem wissenschaftlichen Bericht für die EU Kommission mitgearbeitet, in dem die Frage gestellt wurde, wie wir mehr Biomasse aus dem Meer gewinnen können, ohne zukünftigen Generationen zu schaden. Dabei beschäftigt mich insbesondere die Frage, wie wir europäische Aquakulturen nachhaltiger betreiben können.

F&L: An welcher Stelle könnte man ansetzen?

Gesche Krause: Unsere Forschungen haben zum Beispiel gezeigt, dass heimisches Lupinenmehl in der Fütterung von Fischen als Ersatz für Soja dienen kann. Neben dem positiven Effekt, dass weniger Soja aus unnachhaltigen Quellen aus Drittländern importiert werden müsste und damit viel CO2 eingespart werden könnte, würde es die heimische Biodiversität stärken. So wirken sich Lupinen in ihrer Fähigkeit Stickstoff zu sammeln und den Boden somit zu düngen sehr positiv aus. Sie sind ein anschauliches Beispiel für Bioökonomie, in dem nachwachsende Ressourcen erzeugt, verarbeitet und genutzt werden. Jetzt geht es darum, wie man solche Erkenntnisse so weiterentwickeln kann, dass diese sich auch kommerziell rechnen. Das machen wir zum Beispiel im EU-Forschungsprojekt GAIN (Green Aquaculture Intensification in Europe), an dem das AWI beteiligt ist. Ich hoffe, dass Arbeiten wie diese dazu beitragen, dass wir marine Ressourcen künftig nachhaltiger nutzen und unsere Ernährung somit auf nachhaltigere Weise sichern werden.