Symbolbild: Roboterhand und menschliche Hand nähern sich einander.
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Robotik
Roboter-Daumen mit Tastsinn und Mikroschwimmer im Körper

Robotern das Fühlen beizubringen, ist kompliziert. Forschende in Tübingen und Stuttgart experimentieren mit dem tastenden Begreifen – der Haptik.

28.02.2022

Autos fahren automatisierter, erste Drohnen transportieren Pakete und Roboter werden zu Alltagshelfern. Die Grundlagen für diese Technologien liefern auch die Expertinnen und Experten des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) an den beiden Standorten Stuttgart und Tübingen – eines von 86 Instituten der Max-Planck-Gesellschaft. Sie finanziert sich überwiegend aus öffentlichen Mitteln von Bund und Ländern. Im Jahr 2020 waren dies etwas mehr als 1,92 Milliarden Euro. Doch an was tüfteln die Forschenden in den Tübinger Laboren eigentlich? Und was hat die Gesellschaft davon?

Das jüngste Projekt von Dr. Georg Martius, Forschungsgruppenleiter am Institut, und seines Doktoranden Huanbo Sun sowie von Dr. Katherine J. Kuchenbecker, einer Direktorin am MPI-IS, ist es, den Robotern das Fühlen beizubringen – den Tastsinn also in Technik zu übersetzen.

Wie Roboter fühlen lernen

"Um den Tastsinn von Robotern steht es ziemlich schlecht, denn meistens können sie nur sehen, aber nichts spüren", sagt Martius. Vorstellen könne man sich diesen Zustand, indem man als Mensch versucht, mit einem dicken Handschuh etwas in der Hand zu ertasten.

Um den Tastsinn einer Maschine voranzutreiben, entwickelten die Forschenden einen etwa acht Zentimeter großen Daumen aus einem formfesten, aber elastisch verformbaren Kunststoff (Elastomer), der mit reflektierenden Aluminiumpartikeln vermischt wurde. Dutzende Male änderte Sun die Zusammensetzung, bis schließlich ein optimaler Prototyp gefunden war. Im Inneren des Elastomer-Fingers ist ein leichtes, steifes Skelett, das die Struktur aufrecht hält, ähnlich wie Knochen das weiche Gewebe eines Fingers stabilisieren. Eine Mini-160-Grad-Fischaugenkamera ist dazu da, bunte Lichtmuster aufzunehmen, die von einem Ring aus LEDs erzeugt werden.

"Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Messungen nicht auf der Oberfläche des Sensors stattfinden, sondern auf der Innenseite. Dadurch funktioniert der Sensor, selbst wenn die Oberfläche beschädigt ist", erklärt Martius.

Wenn ein oder mehrere Objekte die Sensorhülle berühren, ändert sich das Farbmuster im Inneren des Daumens. "Die Kamera nimmt mehrmals pro Sekunde Bilder auf. In jedem Pixel werden kleinste Veränderungen des Lichts erkannt", erklärt Martius. Das System sieht, wo genau ein Objekt den Finger berührt, wie stark die Kräfte sind und in welche Richtung sie wirken. Das Forschungsprojekt ist laut Martius ein wichtiger Schritt hin zu Robotern, die wie Menschen und Tiere ihre Umgebung ertasten können. Solche Fähigkeiten können sehr nützlich werden, wenn Roboter mit Menschen zusammenarbeiten oder bei gefährlichen Katastropheneinsätzen helfen sollen.

Umarmungen vom Roboter "HuggieBot"

Um das Spüren von Berührung geht es auch bei einem System von Kuchenbecker und ihrem Team am Stuttgarter Standort des MPI-IS. Sie schufen den "HuggieBot". Ziel war es, dass die Umarmungen des Roboters genauso beruhigen, trösten und Geborgenheit geben wie die Umarmung eines Menschen. Der Roboter passt sich dabei über Sensoren an den Menschen an, knuddelt ihn. Er lässt aber auch wieder los, wenn der Druck des Menschen nachlässt und dieser sich zurückzieht. Einsetzbar wäre diese Maschine etwa in der Pflege.

Realität in den Laboren des Max-Planck-Instituts sind auch Mikroroboter, die durch das Blut oder andere Flüssigkeiten strömen, Licht als Antrieb nutzen, Medikamente transportieren und diese an Ort und Stelle absetzen. Selbst in sehr salzhaltigen Flüssigkeiten können die Mikroschwimmer vorwärts getrieben werden. Sie zu entwerfen war eine Herausforderung, denn die Fortbewegung mittels Lichtenergie wird durch Salze, die im Wasser oder Körper zu finden sind, behindert.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Tübinger und Stuttgarter Forscher werden auf einer Austauschplattform anderen Forschenden weltweit zur Verfügung gestellt. Diese können dann darauf aufbauen.

Laut Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sind solche technologischen Durchbrüche und Innovationen ohne Grundlagenforschung undenkbar. Viele Anwendungen etwa in der Laser- oder Computertechnologie basierten auf ihren Erkenntnissen. Das Land unterstütze die Grundlagenforschung mit erheblichen finanziellen Mitteln. "Paradebeispiel für diese Förderung ist der Innovationscampus "Cyber Valley", in dem die Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme gemeinsam an der Entwicklung künstlicher intelligenter Systeme und intelligenter Roboter arbeiten."

dpa (Tatjana Bojic)